Der Puppenfänger (German Edition)
zurücklassen, Heide? Nenne mir ein einziges, treffendes Argument.«
Etwas Zweibeiniges, schoss es Heide durch den Kopf. Eine andere Frau, eine, die jünger ist als Simone, eine hübschere. Eine, die ihren Körper in einem seiner Fitnessstudios drillt, eine, in deren Gesicht sich keine Runzeln an den Augen zeigen. Nicht wie bei dir, liebste Heide, die du gerade heute Abend beim Abschminken zu deinem Ärger wieder einmal zwei neue Fältchen entdeckt hast. Vielleicht ist dem treusorgenden Ehemann und Vater eine Gazelle über den Weg gelaufen, eine gertenschlanke Schönheit, die morgens auf der Waage nicht entsetzt feststellt, dass es ihr bis zum Monat April nicht gelungen ist, sich zwei Kilo Weihnachtsmarzipan abzutrainieren oder abzuhungern.
Während sich Heide die eigenen Unzulänglichkeiten vor Augen führte, erzählte Beate, Gerald sei nur ein einziges Mal über Nacht nicht nach Hause gekommen. Und das wirklich nur …, weil er …, und das müsse man ihm unbedingt glauben, denn …
Schläfrig lauschte Heide der Stimme am anderen Ende der Leitung und fragte sich verwundert, ob Beate beschwipst, gar betrunken war, oder welchen Grund es geben könnte, zu nachtschlafender Stunde über ein Problem lamentieren zu wollen, das bereits mehrere Tage alt war. Beates Hilferuf war zur falschen Zeit gekommen. Zu früh oder zu spät, je nachdem, von welcher Seite man diese unleidliche Angelegenheit betrachtete.
Irgendwann hatte der nächtliche Quälgeist endlich sein Ziel erreicht. Obwohl Heides Instinkt sich wehrte und ihr Gefühl laut Hände weg! schrie, versprach sie, sich der Vermisstensache Gerald Schöllen anzunehmen.
*
Heide ging ins Schlafzimmer und stellte dort augenblicklich fest, dass Dieter seinen Gefühlen nachgegeben hatte und ihr auf äußerst anschauliche Art seinen Unmut mitteilte. Er hatte die Tagesdecke zusammengerollt und sie als unübersehbare Barriere in die Mitte des Doppelbettes gelegt.
»Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende, Herr Kommissar!«, spöttelte sie, als sie auf ihrer Seite der Schlafstätte unter die Federn kroch.
»Wie recht du hast«, stimmte er zu. »Ich strafe möglicherweise mich und nicht dich. Es macht wahrlich keinen Spaß, eine Decke zu umarmen.« Er warf das selbst geschaffene Hindernis auf den Teppichboden und streckte die Arme nach ihr aus. »Streiten wir uns jetzt gleich, oder verschieben wir die Auseinandersetzung auf morgen, meine Schöne?«
»Wir müssen nicht zanken«, erwiderte sie gegen besseres Wissen. Sie schmiegte sich an ihn, legte ihren Kopf auf seine Brust und schaltete die Nachttischlampe aus.
»Du hast deine Bekannte darauf aufmerksam gemacht, dass du dich auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert hast und ihr deswegen nicht helfen kannst? Du hast ihr erzählt, dass du mir versprochen hast, nicht in meinen Gewässern zu schippern, und sie an die Polizei verwiesen?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Du hast diesen Auftrag angenommen?«, vergewisserte er sich in einer Tonlage, die man durchaus als drohend bezeichnen durfte.
»Ja!«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Das habe ich.«
»Na dann gute Nacht, von der Heide!« Dieter machte Licht, schob sie von sich, setzte sich abrupt auf und stand in Windeseile vor dem Bett. Die Augen leicht zusammengekniffen, die Lippen aufeinandergepresst, sah er auf sie herunter. Sie kannte diese Mimik und den dazugehörigen mahnenden Klang seiner Stimme und wappnete sich. Vorsicht war geboten. Ein Gewitter zog auf!
»Wie sagtest du so treffend?«, fragte Dieter. Er bückte sich und hob die Decke auf. »Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende?«
»Ja! Genau diesen Ratschlag habe ich dir soeben gegeben. Fein, dass du ihn annimmst«, spöttelte sie. Ab und an benahm er sich wie ein Kind, dem man das Lieblingsspielezeug weggenommen hatte.
»Für mich endet die heutige Nacht auf dem Sofa im Wohnzimmer, von der Heide.«
»Das wundert mich nicht«, erwiderte sie ironisch. »Aber nur zu. Geh! Ich werde dich nicht am Bettpfosten festbinden.«
»Ich will nicht neben einer Frau liegen, die ihr Versprechen nicht hält«, giftete er und sah sie mit temperamentvoll blitzenden Augen an.
»Du benimmst dich wie ein kleiner Junge, der seinen Willen nicht bekommt«, funkte sie zurück und erwiderte seinen Blick mit der gleichen Leidenschaft, die ihr entgegenschlug.
»Musst du immer das letzte Wort haben?«
»Ja! Das trainiere ich täglich! Täte ich es nicht, würdest du jeden Streit gewinnen und mich
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