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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Lässler war ebenfalls entschlossen zur Umsiedlung, nachdem ihm die Übernahme der Kosten für die Erschließung eines Baugrundstücks inmitten der Felder zugesichert worden war. Für Pauls Anwesen an der Bachstraße interessierte sich ein begüterter Künstler, der die Scheune zu einem Atelier umbauen wollte. Paul machte noch ein gutes Geschäft bei der Sache. Toni von Burg mit seinen Truthähnen und hochmodernen Legebatterien am Stadtrand störte nicht.
    Wenn Jakob den hochtrabenden Ausdruck Stadt für das dreckige kleine Nest hörte, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Größenwahnsinnig waren sie alle geworden, nachdem sich ein wenig Industrie in Lohberg angesiedelt hatte und die Steuergelder etwas reichlicher flossen. Die wurden auch gleich wieder zum Fenster rausgeworfen,meist in Lohberg selbst. Für einen Klotz aus Glas und Beton – das neue Rathaus samt Stadthalle. Für ein Freibad und ein neues Hallenbad. Für eine größere Turnhalle am Gymnasium, in der sich nun drei Sportvereine tummelten.
    Lohberg veränderte sich, bekam ein Einkaufszentrum, für das eine Umgehungsstraße gebaut werden musste, bekam verkehrsberuhigte Zonen, Abenteuerspielplätze und einen neuen Kindergarten mit kindgerechter Küche und Toilettenanlagen. Und in der Grundschule im Dorf regnete es immer noch durchs Dach, fiel bei schlechtem Wetter immer noch der Sportunterricht aus, weil der provisorische Anbau, in dem er stattfinden sollte, wegen Einsturzgefahr nicht mehr genutzt werden durfte. Und da behauptete Erich Jensen, ein bäuerlicher Betrieb passe nicht mehr ins Stadtbild.
    Was wirklich störte, sagte Erich nicht. Ein Junge, der seiner Mutter ab und zu entwischte. Der durch die Straßen lief und Mädchen Rabenaas schimpfte. Gerade elf Jahre alt und schon fast so groß wie sein Vater. Es hieß, neulich hätte Ben sogar Heinz Lukka angegriffen.
    Der Rechtsanwalt hatte in seiner Funktion als Mitglied des Stadtrats ein Gespräch mit dem Rektor der Grundschule geführt. Es war um den Neubau einer kleinen Turnhalle gegangen. Als Heinz Lukka die Schule verließ und gerade seinen Wagen aufschließen wollte, sei Ben auf ihn losgegangen. Der alte Mann wäre beinahe gestürzt. Thea Kreßmann hatte es gesehen, es Richard noch am selben Abend erzählt und am nächsten Tag allen, die es hören wollten.
    Heinz Lukka lachte darüber. Angegriffen – so ein Quatsch! Ben hatte ihn gesehen, war in ungestümer Freude über die Straße gestürmt und hatte ihn angesprungen. Zugegeben ein wenig heftig, aber ohne böse Absicht.Wer wollte denn dem Jungen die Freude verbieten und das Recht auf ein wenig Zärtlichkeit absprechen? Und was hieß Mädchen beschimpfen? Das war eher umgekehrt, erklärte Heinz Lukka. Der arme Kerl musste doch nur irgendwo auftauchen, schon hieß es: «Hau ab, du Idiot!» Durfte er sich nicht wehren, nicht einmal zurückbrüllen? Mehr als brüllen tat er doch nicht.
    Aber Heinz Lukka versuchte ebenfalls, Jakob einen Umzug schmackhaft zu machen, argumentierte mit der Ruhe im freien Feld und seinen eigenen Plänen. Da ihm das Grundstück an der Bachstraße vor der Nase weggeschnappt worden war und er sich nicht mit dem verwilderten Rest zufriedengeben wollte, spekulierte er nun auf die Gemeindewiese. Er war zuversichtlich, dass man sie ihm überließ. Was wollte die Stadt mit der Wiese?
    Eines Abends kam Heinz Lukka mit ein paar Bauplänen vorbei, um Jakobs Bereitschaft zu forcieren. Jakob schaute sich die Pläne an, ließ sich erklären, wie Lukka sich sein zukünftiges Haus vorstellte. Der Wohnraum nach Süden, mit offenem Kamin und einer großen Terrasse davor. Fitnessstudio im Keller mit gefliestem Boden und Fliesen an den Wänden bis zur Decke, mit eingebauter Dusche und all den Geräten, die man brauchte, um den Körper in Form zu halten.
    Jakob fragte sich, ob Heinz Lukka übergeschnappt sei, anzunehmen, dass er sich in seinem Alter so etwas noch zumuten könnte. Oder ob er sich einbildete, aus einem Gartenzwerg könne mit Bauchtrainer und Hanteln ein Herkules werden. Jakob hörte sich noch an, dass die Stadt für Paul und Antonia Lässler den schmalen Feldweg ausbauen und asphaltieren ließ, der von Süden zur Landstraße führte. Für Jakob und Trude wollte man ebenfalls einen eigenen Weg anlegen oder einen bereits vorhandenen, zum Beispiel den, der früher zum altenKreßmann-Hof geführt hatte, in ordnungsgemäßen Zustand versetzen.
    Aber Jakob blieb stur. Mit Gewalt vertreiben konnten sie ihn nicht. Er ließ sich nicht

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