Der Puppengräber
sich anschließend gewandt hatte.
Nachdem er seinen Teller geleert hatte, griff Jakob zum Telefon und sprach zuerst mit Wolfgang Ruhpold, der ihm nicht weiterhelfen konnte und seinerseits von Trudes Anruf am Morgen berichtete. Dann holte Jakob den alten Mercedes aus der Scheune und fuhr zu Heinz Lukka.
Die Fahrt war eine Sache von wenigen Minuten. Jakob nutzte sie, um sich ein paar Sätze zurechtzulegen. Es wäreLukka gewiss nicht recht gewesen, zu hören, dass Jakob über Edith Sterns wahren Besuchsgrund informiert war. Als er vor Lukkas Bungalow hielt, hatte er zumindest eine Einleitung gefunden.
Heinz Lukka war nicht überrascht, ihn zu sehen. Er bat ihn in den riesigen Wohnraum, nötigte ihn, im Sessel vor dem Kamin Platz zu nehmen, und hörte sich an, dass Jakob gestern Abend eine junge Amerikanerin mitgenommen hatte, die diesem Haus einen Besuch abstatten wollte. Da sie von auswärts kam und nicht wusste, wo sie so spät in der Nacht noch hin sollte, hatte sie anschließend zu Jakob und Trude kommen wollen, um dort zu übernachten.
Jakob log mit zu Boden gerichtetem Blick, die ineinander verschränkten Hände ließ er lose zwischen den gespreizten Beinen baumeln. Zusammen mit Trude hatte er bis zwölf in der Nacht auf die junge Amerikanerin gewartet, hatte flüchtig erwogen, bei Heinz anzurufen, dies aber gelassen, weil er dachte, dass Heinz entweder ebenfalls eine Übernachtungsmöglichkeit geboten oder die Frau es vorgezogen hatte, dem Dorf aus irgendwelchen Gründen schnellstmöglich den Rücken zu kehren. Und in diesem Fall wollte er Heinz nicht mitten in der Nacht stören. Aber dann hatte Ben heute Morgen eine Jacke gefunden. Und Jakob hatte diese Jacke wiedererkannt, als er heimkam.
Als er so weit gekommen war, unterbrach Heinz Lukka ihn mit einem müden Lächeln. «Gib dir keine Mühe, Jakob. Mit deinem schnellstmöglich den Rücken kehren liegst du richtig, das weißt du auch. Frau Stern hat dir doch erzählt, was sie von mir wollte. Mir sagte sie jedenfalls, sie hätte es dir erzählt. Sie sagte auch, du hättest ebenfalls ein bisschen erzählt.»
Jakob fühlte eine gewisse Erleichterung. Zwar hatte ermit seiner Erklärung ein bisschen vorgebaut, er hatte sogar überlegt, notfalls zu behaupten, er hätte Edith Stern bis zum Mais gefahren. Dann wären es nur noch hundert Meter gewesen bis zu Lukkas Haustür. Aber trotzdem hätte er nicht gewusst, was er unternehmen sollte, wenn Heinz verblüfft gewesen wäre, weil niemand bei ihm geklingelt hatte.
Als er nicht antwortete, nur vor Verlegenheit den Kopf noch tiefer senkte, seufzte Heinz Lukka. «Es war eine unangenehme Situation. Ich hätte nie gedacht, dass es mich auf so eine Weise einholt. Nach mehr als fünfzig Jahren.» Er stieß einen Laut aus, der ein bitteres Lachen, aber auch ein Schluchzen sein konnte. «Die gottverfluchte Zeit hängt einem an bis ins Grab. Ich … hörte, du hast die Edith damals gefunden?»
«Zusammen mit Paul», sagte Jakob.
«Warum habt ihr es nicht gemeldet?»
Jakob zuckte mit den Achseln. «Warum hast du es nicht gemeldet? Du hättest bestimmt einen Orden bekommen.»
Heinz Lukkas Miene verschloss sich. Nach ein paar Sekunden wollte er wissen: «War es nur das, was dir auf den Magen drückte, oder hat Ben wirklich ihre Jacke gefunden?»
«Hat er», sagte Jakob. «Sonst wäre ich nicht zu dir gekommen.»
«Komisch», meinte Heinz Lukka und runzelte die Stirn. «Er läuft doch normalerweise nicht zur Landstraße. Sie wollte nach Lohberg. Ich habe angeboten, sie zu fahren. Das lehnte sie ab. Sie wollte sich von mir nicht mal ein Taxi rufen lassen. Es wären ja nur vier Kilometer, sagte sie, und sie wäre es gewohnt, lange Strecken zu laufen.»
Jakob nickte bedächtig. «Ja, das hat sie mir auch gesagt. Aber wir sollten es trotzdem der Polizei melden.»
«Was?», fragte Heinz Lukka verständnislos. «Dass Ben ihre Jacke gefunden hat? Meinst du nicht, die Polizei hätte im Moment andere Sorgen? Sie haben immer noch keine Ahnung, wo Marias Tochter steckt.»
Jakob schwieg. Und Heinz Lukka erklärte: «Frau Stern hat die Jacke nicht übergezogen, hat sie oben auf den Rucksack unter einen Gurt geschoben. Und sie hatte es ziemlich eilig, von hier wegzukommen. Das erste Stück ist sie gerannt, als sei der Teufel hinter ihr her.»
«Dann hat sie sie wohl tatsächlich verloren», stellte Jakob fest.
Heinz Lukka klang verständnislos. «Was denn sonst?» Dann wurde seine Stimme eindringlich. «Jakob, glaubst du etwa,
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