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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Trudes versteinerte Miene und seine Vision eines Zusammentreffens auf dem nächtlichen Feldweg dachte. Über die stille Zufriedenheit, die er immer dann empfand, wenn er mit Ben durch die Felder schlenderte. Weit und breit keine Menschenseele, die Erde unter den Füßen. Dieser Boden, der sie lange Jahre genährt und gekleidet hatte. Über dem Kopf ein paar Wolken oder Sonnenschein und Bens breiten Rücken vor Augen.
    So ein stiller, genügsamer Kerl, ihm reichte notfalls ein Stück Brot auf der Faust. Wenn er vor Jakob durchs Feld lief, gab er mit vollen Händen von seinem Überfluss, der Zufriedenheit. Draußen übertrug sie sich immer auf Jakob, solange kein Mensch in der Nähe war, der Rechenschaft forderte. Jetzt wollte sie sich nicht einstellen, vielleicht weil Trude dabei war.
    «Wir hätten im Dorf bleiben sollen», sagte Jakob in einem Gefühl plötzlicher Hilflosigkeit. «Da hätte ich selbst eine hohe Mauer um Wiese und Garten gezogen und am Hoftor ein Sicherheitsschloss angebracht. Da wäre er nicht mehr rausgekommen, und wir hätten uns nicht den Kopf zerbrechen müssen.»

NEUE HÖFE
    Im Frühjahr 84 traten sie erstmals offiziell an Jakob heran. Der Stadtrat von Lohberg, allen voran Erich Jensen, versprach goldene Berge, Frieden und Freiheit, appellierte an seine Vernunft, seine Einsicht und seine Liebe zur Heimat.
    Ein halbes Jahr zuvor hatte Otto Petzhold kapituliert, sein Anwesen an der Bachstraße an einen Architekten aus Lohberg und seine fünfzig Morgen Land an Richard Kreßmann verkauft. Vom Erlös hatte Otto sich ein kleines Häuschen in der Voreifel zugelegt. Für ihn war es einfach. Er musste nur für sich und seine erkrankte Frau sorgen. Otto hatte keine Kinder.
    Und Jakob hatte vier. Wenn auch keines, von dem er ein wenig Hilfe erhoffen durfte. Anita studierte in Köln, fand die Zeit nicht für einen Besuch daheim. Sie rief nur hin und wieder an, um zu erklären, dass das Geld nicht reichte. Die Bücher waren so teuer. Wenn Jakob sich gegen zu hohe Forderungen verwahrte, auf die anderen Mitglieder der Familie verwies, die auch leben mussten, sprach Anita von Entbehrungen, entgangener Mutterliebe und ähnlichen Dingen. Von ihr hatte man nichts mehr zu erwarten.
    Bärbel mühte sich ab, den Realschulabschluss im zweiten Anlauf zu schaffen, eine Lehrstelle zu ergattern, möglichst im Büro, wo es keinen Dreck, keine Misthaufen und keine Idioten gab. Und in jeder freien Stunde saß Bärbel entweder in Illa von Burgs Küche, angeblich, um zu berichten, wie nett sie in den letzten Tagen mit ihrem Bruder umgegangen war. In Wahrheit wohl eher, um Illa von ihrer Harmlosigkeit, dem guten Willen und der Gutmütigkeit zu überzeugen und zu suggerieren,dass eine Mutter sich keine bessere Frau für den ältesten Sohn wünschen konnte.
    Oder Bärbel saß im Bus nach Lohberg, lief zur italienischen Eisdiele oder durch die Stadt auf der Suche nach der verlorenen Liebe. Uwe von Burg war ebenfalls öfter in Lohberg als daheim. Und jedem, der es hören wollte oder nicht, erzählte Bärbel, dass sie später gerne auf einem Hof arbeiten würde. Es gäbe doch nichts Schöneres, als sein eigener Herr zu sein. Aber keine Kühe, keine Schweine. Geflügelzucht und zusätzlich ein bisschen Hausverwaltung, das würde ihr gefallen. Die konnte man auch abschreiben.
    Bei Ben musste man froh sein, wenn er sich im Baumhaus verkroch, weil er dort niemanden belästigte. Und Jakobs Jüngste, sein Herzblatt, das Kind, das er sich mit seinem Freund Paul teilte, von dem er hoffte, es ganz bei sich zu haben, sobald es alt genug war für den Kindergarten, war erst zweieinhalb Jahre alt, als die Mitglieder des Stadtrats bei ihm vorstellig wurden.
    Zwei Monate vorher war Gerta Franken gestorben. Es fiel erst nach ein paar Tagen auf, als Trude sich wunderte und grübelte, wann sie die alte Nachbarin zuletzt am Kammerfenster gesehen hatte. Trude ging hinüber. Schon im Flur roch sie, was sie dann in der Schlafkammer fand.
    Nach Hilde Petzholds Umzug in die Voreifel hatte niemand mehr einen Teller mit Essen in die Bruchbude getragen. Illa von Burg hatte schon Monate vorher ihre Besuche bei Gerta Franken eingestellt. Weil sie sich einfach nicht mehr mit der Bösartigkeit des alten Weibes auseinandersetzen konnte.
    Da fuhr Illa nun seit Jahren im wöchentlichen Wechsel, brachte Lebensmittel und eine warme Mahlzeit, räumte den Dreck weg und musste sich zum Dank beschimpfenlassen. Weil sie nicht bereit war, auch noch Dorfklatsch in die Kate

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