Der Puppengräber
Ben hätte sie ihr weggenommen?»
Als Jakob darauf nicht reagierte, nickte Heinz Lukka bitter. «Was denkst du eigentlich von ihm?» Seine Stimme wurde noch nachdrücklicher, als er versicherte: «Er war nicht hier, Jakob. Ich bin mit ihr zur Tür gegangen und habe ihr nachgeschaut. Und von ihm habe ich nichts gesehen. Wenn er hier gewesen wäre, hätte er mich gesehen und wäre zu mir gekommen. Er kommt immer, wenn er mich sieht.»
«Ich denk nichts Schlechtes von Ben», widersprach Jakob unwillig. «Er war die ganze Nacht in seinem Bett. Trude hatte es am Herzen, sie konnte nicht liegen, ist herumgelaufen und hat ein paarmal nach ihm geschaut.»
Heinz Lukka nickte erneut, lachte leise und abfällig. «Ja, wenn das so ist, was hast du dann gedacht? Die beiden Kerle, die Marias Tochter mitgenommen haben, sind wieder frei. Aber dass die hier allein spazieren fahren und im richtigen Moment vorbeikommen, um eine junge Amerikanerin aufzulesen, glaube ich kaum.»
Obwohl Jakob es eigentlich nicht wollte, erzählte er,was er am Vorabend in Ruhpolds Schenke gehört hatte. Heinz Lukka lauschte teils amüsiert, teils interessiert.
«Sieh einer an», meinte er schließlich. «Dieter Kleu. Was soll man dazu sagen, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm? Aber der Junge ist nicht mal achtzehn. Da würde ich eher an Bruno denken. Den habe ich schon mehr als einmal nachts rausfahren sehen zum Bruch oder zum Bendchen. Und jetzt frage ich dich, was treibt er da draußen um die Zeit? Schaut er seinen Rüben beim Wachsen zu? Wahrscheinlich hat er im Moment nichts an der Hand für ein nettes Stündchen nach Feierabend. Und damit es für Renate nicht so aussieht, als käme er aus der Übung, dreht er hier ein paar Runden. Wenn ihm dabei etwas Hübsches vor die Flinte läuft …»
Es klang spöttisch, und Jakob fand, es sei nicht das rechte Thema, sich darüber lustig zu machen. Er verabschiedete sich, einigermaßen beruhigt, aber auch fest entschlossen, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen. Und wenn die Jacke hundertmal in der Eile vom Rucksack gefallen und unbemerkt von Edith Stern auf dem Weg zurückgeblieben sein konnte. Zu verschweigen, dass Ben sie gefunden hatte, hieß in seinen Augen, etwas zu vertuschen. Und das hatten sie nicht nötig, wenn Bruno Kleu nachts im Feld herumfuhr.
Von Lukkas Bungalow fuhr Jakob zum Lässler-Hof. Dort saß die gesamte Familie bei einem Kaffee im Wohnzimmer. Es wäre Jakob lieb gewesen, er hätte mit Paul allein reden können. Doch niemand machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Jakob umriss in knappen Worten, wen er am vergangenen Abend aus Ruhpolds Schenke mitgenommen und was Ben am Vormittag gefunden hatte.
Paul schüttelte wiederholt den Kopf. «Edith Stern», murmelte er fassungslos. «Das gibt’s doch nicht. Und was sagte Heinz?»
Jakob erklärte auch das, allerdings ohne Bruno Kleus nächtliche Fahrten zu erwähnen. Paul hörte zu, ohne eine Miene zu verziehen, und kam dann wieder auf die Jacke zu sprechen.
«Verloren», meinte Paul bedächtig. «Und das glaubst du?»
«Ich weiß nicht, was ich glauben soll», räumte Jakob ein. «Und ich möchte die Sache nicht so abtun wie Heinz.»
«Denkst du, der Frau sei etwas zugestoßen?», fragte Antonia.
«Nein», sagte Jakob. «Ich wüsste nur gerne, wo sie geblieben ist. Vielleicht sollte man sich mal in Lohberg umhören, am Bahnhof.»
«Da erreichst du jetzt keinen», erklärte Paul. «Da kann sie auch kaum einer gesehen haben. Samstags ist der Schalter nicht geöffnet. Du solltest die Polizei anrufen.»
«Heinz meint, das wäre nicht nötig.»
Paul grinste gequält. «Heinz meint und Trude sagt. Jetzt sag ich dir mal was, Jakob. Ich gebe nichts auf das, was Heinz meint und Trude sagt. Hast du gesehen, dass Ben die ganze Nacht im Bett lag? Nein! Und deshalb machst du dir Sorgen. Weil du genau weißt, dass du Trude längst nicht alles glauben kannst.»
Bevor Jakob widersprechen konnte, atmete Paul durch und streifte seine Frau mit einem Blick, als wolle er sich ihr Einverständnis holen. «Ich will Ben nichts, Jakob. Aber sogar Antonia meint, ihr solltet ihn für eine Weile nachts festhalten. Er spielt mit den Mädchen fangen, rennt ihnen nach und reißt sie fast zu Boden. Wenn er das mit Fremden macht … Wir kennen ihn nun schon so lange. Und ich trau ihm nichts Böses zu. Aber man kann nicht in seinen Kopf sehen. Und … Na ja, ich habemeine beiden gewarnt. Es ist mir lieber, wenn sie sich ein bisschen von ihm
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