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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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kamen, begann er zu toben und zu schimpfen. Das legte sich aber mit der Zeit. Die beiden Mädchen beachteten ihn nicht, solange er sich aufführte wie ein Wilder. Wenn er damit aufhörte, steckten sie ihm auf Antonias Anweisung Süßigkeiten zu. Im Prinzip war es eine simple, psychologische Erkenntnis: Wohlverhalten lernen durch Lob und Belohnung. Ben lernte es wie jedes andere Kind.
    Am frühen Abend brachten Andreas oder Achim ihnzurück zum Anwesen seiner Eltern. Dann blieb er noch eine Weile in der Wildnis neben Trudes Garten, lag im Baumhaus und spähte durch die Schlitze, bis der, der ihn heimgebracht hatte, aus seinem Blickfeld verschwand. Anschließend ahmte er nach, was er im Laufe des Nachmittags auf dem Lässler-Hof gesehen hatte.
    In der Scheune fand er einen ausrangierten Eimer und füllte die Tränke damit. Literweise trug er das Wasser durch die Wildnis und goss das wuchernde Unkraut. Er hütete die Disteln wie andere ihre Rosenstöcke. Auf der Apfelwiese sammelte er das Fallobst ein und vergrub es, sodass im Frühjahr 86 zahlreiche Sprösslinge die Erde durchstießen. Sie gingen alle ein, weil er sie regelrecht ersäufte.
    Von solchen Beschäftigungen angeregt, nahm Jakob ihn mehrfach mit hinaus und gab sich kurzzeitig der Hoffnung hin, dass man ihn mit ein wenig Anleitung vielleicht doch noch zu sinnvoller Arbeit anhalten könne. Aber in dieser Hinsicht war alle Mühe vergebens. Es ging nun einmal nicht ohne Maschinen, und die fürchtete er mehr als Jakobs Prügel.
    Nach ein paar vergeblichen Versuchen ließ Jakob ihn wieder daheim. Und er verkroch sich in seinem Reich, verbrachte dort den Vormittag, wenn Trude ihm beim Frühstück erklärte, dass er nach dem Mittagessen zum Lässler-Hof gehen dürfe. Vorausgesetzt, er blieb im Garten und sie musste ihn nicht im Dorf suchen. Das Versprechen zog immer. Bis Trude ihn zum Essen hereinholte, setzte er nicht einmal einen Fuß auf den Feldweg.
    Es war diese Ruhe, die Jakob zu der Einsicht brachte, ein neuer Hof im freien Feld sei ein erstrebenswertes Ziel. Und ein Entschluss, den man ohne Zwänge fasste, aus freien Stücken, ohne Druck vonseiten des Stadtrats, ohne die Meinung sogenannter wohlmeinender Freunde,solch ein Entschluss hatte seinen Wert. Im Sommer 86 gab Jakob den Auftrag für ein solides Einfamilienhaus, Scheune und Nebengebäude. Man garantierte ihm, die Arbeit zügig voranzutreiben. Noch vor Wintereinbruch sei der Rohbau überdacht.
    Es ging tatsächlich mit Riesenschritten voran. Jakob fühlte sich fast ein wenig beschwingt. Mit Ben ins freie Feld, im Haus nur noch er und Trude und vielleicht irgendwann, vielleicht für ein paar Tage oder für immer, die kleine Tanja. Bärbel wollte sich vor dem Umzug ein möbliertes Zimmer in Lohberg nehmen, damit der Weg zur Arbeit nicht so lang wurde. Sie lernte im Büro des Baumarkts Wilmrod den Beruf Buchhalterin.
    Trude fuhr oft zur Baustelle, wenn die Arbeit im Haus und in den Ställen getan war. Ben nahm sie jedes Mal mit. Wenn sie das Auto nahm, saß er neben ihr. Er fuhr gerne mit ihr, allerdings nur kurze Strecken. Aber wenn er vorne sitzen durfte, hampelte er nicht herum. Wenn sie das Rad nahm, trabte er neben ihr. Dann zeigte sie ihm, wo der Weg am Bendchen und am Bruch vorbei zum Lässler-Hof führte, und ließ ihn draußen, damit er sich an die Gegend gewöhnte.
    Meist lief er eine Weile durch den Rohbau, schleppte Steine von einer Seite zur andere, klatschte mit bloßen Händen den Mörtel an Stellen, wo er nicht hingehörte, oder tappte durch den frischen Estrich, bis der Polier ihn verscheuchte.
    Danach lief er durchs Feld, erkundete Gebiete, in die er sich bis dahin nie vorgewagt hatte. Wenn er auf irgendeinem Acker Jakob, Paul und Bruno bei der Arbeit entdeckte, hielt er sich in ihrer Nähe, grub mit dem ersten Klappspaten, den er von Trude zum Geburtstag bekommen hatte, Löcher in die Ackergrenze und schloss sie auch wieder. Wenn die Männer abends heimfuhren,lief er in respektvoller Entfernung hinter dem Mähdrescher oder Traktor her zurück ins Dorf.
    Im April 87 zogen sie um. Für Trude war es der Beginn eines neuen Lebens. Es gab keine Nachbarn mehr, alle Störfaktoren waren ausgeschaltet. Ben war, wie Trude sich ihn immer gewünscht hatte. Ein Kerl wie ein Baum mit seinen vierzehn Jahren. Einer, der sich kichernd auf dem Boden wälzte, wenn seine Mutter ihn an den Rippen kitzelte. Einer, der abends seine Wange an ihrer Schulter rieb. Einer, der an ein oder zwei Nachmittagen in der

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