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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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spekuliert wurde, was für ein Hotel das wohl gewesen sein mochte. Vermutlich eins, für das man stundenweise bezahlte.
    Und wenn es bei Freund Lukka dunkel blieb, auch das wusste Jakob, suchte sein Sohn andere Plätze auf. Die häufig zerkratzten Handrücken und Unterarme gaben beredtes Zeugnis davon, dass er sich unter dem Stacheldraht durcharbeitete und sich auf der Wiese herumtrieb. Genau dort, wo Klaus und Eddi die Mädchen angeblich immer aussteigen ließen.
    Sie lügen, dachte Jakob. Wer würde das nicht tun in der Situation? Mag sein, dass sie Erichs Tochter eigentlich nichts Böses tun wollten. Ihren Spaß wollten sie. Und sie waren zu zweit. Was will so ein junges Ding ausrichten, wenn es auf einem dunklen Feldweg mit zwei kräftigen Burschen in einem Auto eingepfercht ist? Es wehrt sich, droht mit Konsequenzen. Die beiden kriegen es mit der Angst, und da passiert es. Ungewollt, aber es passiert, das Mädchen ist tot. Und wohin nun mit der Leiche?
    Jeder, der sich in der Umgebung des Dorfes auskannte, hätte den Bruch gewählt, dieses unübersichtliche Trümmerfeld, oder das Bendchen. Dort aber hatte die Polizei nichts gefunden. Und dass zwei junge Burschen in Panik so tief gruben, dass eine Hundenase keine Chance hatte – es war möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Es war auch kaum anzunehmen, dass zwei Männer, die sich eigentlich nur amüsieren wollten, einen Spaten bei sich hatten. Da erschien es naheliegender, dass sie Gas gegeben und sich der Toten anderswo entledigt hatten.
    Die Zeitung von Samstag mit dem großen Foto hatte Trude verschwinden lassen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Man musste ein bisschen vorsichtig sein mit Ben.Er war in einem Alter, in dem ihn der Anblick eines hübschen Mädchens leicht auf dumme Gedanken brachte.
    Er wusste nicht viel anzufangen mit seinen Gedanken, aber hin und wieder überkam es ihn. Wenn er dann etwas beobachtete wie das, was Albert Kreßmann im Juni mit Annette Lässler getrieben hatte, konnte es geschehen, dass er sich in den Hühnerstall verzog und an sich rumfummelte.
    Seitdem hatte Trude ihn bereits mehrfach dabei erwischt und sich nicht aufraffen können, ihm einen Klaps auf die Hand zu geben. Ihr war ganz schwer ums Herz geworden, als sie ihn in der Ecke auf dem nackten Boden im Hühnermist sitzen sah. Er war so mit sich beschäftigt, dass er sie nicht bemerkte. Und Trude fragte sich, ob er wusste, wie es funktionierte, wenn man nicht allein im Hühnerstall auf dem Boden saß. Sie war sicher, dass er es wusste, er hatte schon mehr als ein Liebespaar aufgescheucht.
    Die Zeitung von Dienstag schaffte Jakob beiseite. Er tat es nicht mit einem Hintergedanken, es war Gewohnheit, die ihn veranlasste, sie auf der Suche nach Trude mit in den Keller zu nehmen und zum Altpapier zu legen.
    Trude war nicht im Keller, nicht im Schweinestall, nicht bei den Hühnern, nicht im Garten. Das war ungewöhnlich. Sie wusste, wann Jakob heimkam, und sorgte immer dafür, dass dann sein Essen auf dem Tisch stand.
    Jakob war hungrig, ging zurück ins Haus und öffnete den Kühlschrank. Er entdeckte neben dem üblichen Inhalt eine Schüssel mit gekochten Kartoffeln, die bereits in Fäulnis übergegangen waren. Auch das war ungewöhnlich. Es war nicht Trudes Art zu vergessen, dass Kartoffeln zum Braten im Kühlschrank standen.
    Jakob wollte den Inhalt der Schüssel in den Mülleimer kippen, aber der Eimer war voll. Also nahm Jakob Schüsselund Eimer und trug beides hinaus zur Mülltonne. Als er den Deckel öffnete, sah er das Einweckglas liegen, das er am Sonntag weggeworfen hatte. Er stellte den Eimer ab, nahm das Glas heraus und hielt es ins Licht. Eine hellblaue Windjacke hatte Marlene Jensen getragen – und der Fetzen Stoff zwischen dem Unrat und dem Schimmel war   … ziemlich dreckig.
    Die Männer lügen, dachte Jakob, natürlich lügen sie. Er ließ das Glas zurück in die Tonne fallen, kippte die faulenden Kartoffeln darüber aus, griff nach dem Mülleimer und leerte auch ihn. Nun war nichts mehr zu sehen. Er ging zurück zum Haus, blieb bei der Tür stehen und schaute den Weg entlang.
    In einiger Entfernung strampelte Trude auf ihrem Rad, kam rasch näher, erreichte ihn und stieg völlig außer Atem ab. «Du bist schon hier?», fragte sie, als sei es erst früher Nachmittag.
    «Es ist fast acht», erklärte Jakob.
    «Tut mir leid», sagte Trude und wirkte sehr erleichtert dabei. «Ich war bei Antonia. Dann bin ich noch auf einen Sprung zu Heinz rein. Sie haben die

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