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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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achtzehnjährige Schwestern über schwachsinnige Brüder lachen können.
    In einem Moment der Unbeherrschtheit hatte Jakob ausgeholt und sie auf ihr vorlautes Mundwerk geschlagen. Es hatte ihm auf der Stelle leidgetan. Eine seiner Töchter zu schlagen war ihm bis dahin nicht in den Sinn gekommen. Entschuldigt hatte er sich aber nicht, obwohl das sein erster Impuls gewesen war. Doch wichtiger, alseinem Impuls nachzugeben, war es, Trude zu beweisen, dass ihm der Sohn ebenso am Herzen lag wie ihr, dass er ihn weiß Gott nicht totschlagen und ihr bei der ins Haus stehenden neuen Last gerne ein wenig Verantwortung von den Schultern nehmen wollte.
    Es musste einen Weg geben, Ben aus dem Dorf und von anderer Leute Kinder fernzuhalten. Es gab viel Gerede, hauptsächlich verbreitet von Gerta Franken. Sie hatte mit den Jahren so viel Wissen gesammelt, dass sie einiges durcheinanderwarf. Gerta hatte sich zu der Überzeugung verstiegen, der Mörder der jungen Artistin und der Tatzeuge seien ein und dieselbe Person gewesen. Nun verkündete sie häufig am Marktplatz, Ben würde Puppen zerreißen, um nicht aus der Übung zu kommen. Es lachten längst nicht mehr alle darüber.
    Jakob hatte zwei Möglichkeiten: ihn so lange zu prügeln, bis er die Hände von den Puppen ließ – das kam wegen Trudes Verfassung und Heinz Lukkas Drohung nicht in Frage   –, oder ihm einen Anreiz zu bieten, eine Ablenkung, irgendeine Beschäftigung.
    Trude betonte oft, dass er ihr gerne im Garten half – und dabei mehr Gemüse ausriss, als sie pflanzen konnte, aber das sagte sie nicht. Ein eigener Garten für Ben, war Jakobs erster Gedanke. Nur, wo sollte man den anlegen?
    Auf der Apfelwiese war es zu gefährlich. Gerta Frankens Garten wäre ideal gewesen. Diese Wildnis aus hüfthoch wucherndem Kraut, dazwischen ein alter Birnbaum und die Ungetüme sich selbst überlassener Brombeersträucher, da konnte er nichts verderben. Es musste mit dem Teufel zugehen, wenn man ihm diesen Platz nicht schmackhaft machen konnte. Und wenn er sich direkt unter Gertas Augen mit harmlosen Dingen beschäftigte, vielleicht erzählte die Alte dann das.
    Jakob überdachte die Sache ein paar Tage, stieg probeweise in den Birnbaum, und da kam ihm die Idee mit dem Baumhaus. Es eröffnete sich ihm ein herrlicher Ausblick. Nach drei Himmelsrichtungen erstreckten sich die Rüben- und Weizenfelder, die Kartoffeläcker und Roggenstreifen. An klaren Tagen konnte man im Westen die Kirchturmspitze von Lohberg sehen. Selbst an diesigen Tagen stach sie wie ein schemenhafter Finger in den Himmel. Im Osten gab es den Wald. Im Südosten lag hinter den Feldern die Senke mit den Trümmern vom ehemaligen Kreßmann-Hof.
    Wenn man im Garten stand, war der Bombenkrater nicht zu sehen, aber hoch im Baum hob sich die Bruchkante von den Äckern ab. Mehr als genug Auswahl für Bens scharfe Augen. Und in seinem krausen Hirn mochte er dann andere Ziele entdecken, die eine Erkundung lohnten.
    Mit Gerta Franken wurde Jakob unerwartet schnell einig. Ihr lag nichts an ihrem Garten. Sie hatte bisher auch nichts dagegen gehabt, wenn Trude die Brombeeren pflückte, wollte nur ein paar Gläser Gelee haben. Solange Ben ihr nicht zu nahe kam, war Gerta bereit, Jakob den kompletten Garten für eine kleine Summe monatlich zur Nutzung zu überlassen. Vorausgesetzt, Jakob hielt den Mund, damit das Sozialamt nicht auf die Idee kam, die dürftige Aufstockung ihrer Rente zu kürzen.
    Schon am nächsten Tag begann Jakob, den Platz für seinen Sohn herzurichten, entfernte das gröbste Kraut rund um den Birnbaum. Die Brombeersträucher schnitt er zurück, damit Ben sich nicht an den Dornen kratzte. Er erklärte Trude in groben Zügen, was er vorhatte, und wies sie an, Ben ein paar Tage aus dem Garten fernzuhalten.
    Abend für Abend schleppte Jakob stabile Bretter hinaus,trug Hammer und Nägel in der Hosentasche und baute als Erstes eine Plattform in den Birnbaum. Als er damit fertig war, stellte er sich in die Mitte, wippte und federte in den Knien, wagte ein paar Sprünge und war danach überzeugt, dass dieser Boden den Sohn einige Jahre tragen konnte. Die Wände baute er zum Teil ebenfalls aus Brettern, zum Teil aus Wellblech, damit fertigte er auch das Dach.
    Trude hatte Tränen der Rührung in den Augen, als Jakob sie nach der Fertigstellung abends hinausführte. Zuerst stand sie eine Weile da, ganz stumm. Dann streifte sie Jakob mit einem dankbaren Blick, ergriff mit beiden Händen die Strickleiter, die er

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