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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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eigenhändig geknüpft und an einem starken Ast befestigt hatte. Trude stieg hinauf, zwängte sich mit ihrem dicken Bauch umständlich durch den Einlass, hockte sich nieder und spähte durch die schmalen Schlitze, die Jakob zwischen den Wänden und dem Dach gelassen hatte. Jakob hörte nur ihre Stimme. «Das ist sehr schön geworden, wirklich. Von hier aus kann er alles sehen, und von ihm sieht man nichts.»
    Um die Stelle für Ben wirklich reizvoll zu gestalten, tat Trude noch etwas mehr. In der Scheune lag eine alte, verzinkte Viehtränke. Sie schaffte sie zusammen mit Jakob an eine windgeschützte Stelle zwischen den zurückgeschnittenen Brombeersträuchern. Jakob grub die Tränke zur Hälfte in den Boden ein. Trude schleppte etliche Eimer Wasser hinaus und kippte sie in das Behältnis, damit Ben sah, welche Freuden ihn erwarteten.
    Als sie ihn am nächsten Morgen hinausführte, stand er da wie vom Donner gerührt, starrte hinauf in das Geäst, den Mund halboffen, die Augen vor Staunen aufgerissen. Dann lief er zur Tränke, hüpfte und sprang und wusste sich gar nicht zu lassen.
     
    Während des Sommers erwies sich das Arrangement als Segen für alle. Täglich lief Ben in aller Frühe hinaus, und nicht einmal die Mahlzeiten brachten ihn freiwillig zurück. Bei sengender Hitze stieg er in die Viehtränke, schaufelte sich das Wasser mit beiden Händen über Kopf und Nacken. Wenn es kühler war, lag er im Baumhaus, spähte durch die Schlitze ins Land. Oder er beschäftigte sich damit, seine Ordnung in Gerta Frankens Garten zu bringen. Er arrangierte die Nesseln, die Disteln und den wilden Hafer wie die Beete in Trudes Gemüsegarten.
    Es zog ihn nicht mehr zum Marktplatz oder ins Café Rüttgers, zur Schule oder den Spielplätzen im Neubaugebiet am Lerchenweg. Niemand kam mehr, um sich über ihn zu beschweren. Er verlor sogar vorübergehend das Interesse an Anitas Puppen.
    Tief im Innern atmete Trude auf, fühlte eine Art Frieden, auch ein wenig Freude, wenn sie an das Ungeborene dachte. Manchmal leistete sie sich sogar eine freie Stunde am Nachmittag. Dann überzeugte sie sich, dass er friedlich an der Viehtränke spielte, im Baumhaus hockte oder Disteln umpflanzte. Sie erklärte ihm noch, obwohl er es vermutlich nicht verstand, dass sie jetzt auf einen Besuch zu Antonia gehen und bald zurückkommen würde. Anschließend schlenderte sie gemächlich die dreihundert Meter weiter zum Lässler-Hof.
    Manchmal sprachen sie über das, was im Dorf vorging. Viel war es nicht, wenn man von den Ereignissen der ersten Monate des Jahres 81 absah. Kreßmanns Igor hatte eine derart pompöse Beerdigung gehabt, dass sich manch einer gefragt hatte, ob Richard sich einbildete, er bringe den letzten russischen Zaren unter die Erde.
    Nach dem Begräbnis war Richard drei Wochen lang nicht nüchtern geworden. Anschließend war ihm zuOhren gekommen, dass man ihn verdächtigte, den Tod von Heinz Lukkas Verlobter verschuldet zu haben. Richard hatte dem halben Dorf mit Verleumdungsklagen gedroht und seinen Mercedes von der Polizei untersuchen lassen. Ob er auf der falschen Straßenseite gefahren war, hatte man natürlich nicht feststellen können. Die zwölfjährige Tochter der Toten konnte keine Angaben über den Unfallhergang machen, als sie endlich aus dem Koma erwachte.
    Im Mai hatte Richard dann trotzdem seinen Führerschein abgeben müssen. Über drei Promille wurde gemunkelt. Dass er damit heil auf seinen Hof gelangt war, grenzte an ein Wunder. Dass die Polizei ihn dann ausgerechnet vor der eigenen Tür erwischte   … Es ging das Gerücht, sie hätten ihm dort nach einem anonymen Hinweis aufgelauert. Einige vermuteten, Heinz Lukka sei der Denunziant gewesen. Beweisen ließ sich das nicht. Auch Toni von Burg konnte dafür gesorgt haben, dass Richard aus dem Verkehr gezogen wurde. Richard ließ sich jetzt immer von Thea zu Ruhpolds Schenke fahren.
    Werner Ruhpold war in aller Stille beigesetzt worden. Die Schenke hatte ein Vetter von ihm übernommen. Er hieß Wolfgang und war – wie Jakob und Paul übereinstimmend feststellten – ein sympathischer und tatkräftiger Mann.
    Heinz Lukka hatte nach dem Unfalltod seiner Verlobten auch noch seinen Schäferhund verloren. Er hatte ihn einschläfern lassen müssen, weil der Hund eine Perserkatze zerrissen und der Besitzer der Katze eine Ladung Schrot auf ihn abgefeuert hatte.
    Maria Jensen brach immer noch unvermittelt in Tränen aus und musste fluchtartig die Apotheke verlassen, wenn sie

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