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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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habe die Jacke von Heinz Lukka geschenkt bekommen. Da solle dann einer behaupten, was Ben erzähle, sei nicht zu verstehen. Das mussten sie einer Mutter nach mehr als zwanzig Jahren erst einmal beweisen, dass sie ihren Sohn nicht verstand.
    Jakob sondierte das eben Gehörte und klopfte es auf Ansatzpunkte ab. Doch einen Ansatzpunkt gab es nur in Trudes Haltung und ihrem unbewegten Gesicht.
    «Du hast doch was», stellte er fest. «Du bist schon seit Tagen so komisch. Denk nur nicht, das fällt mir nicht auf. Ich hab Augen im Kopf, Trude. Du bist den ganzen Tag mit ihm allein. Du ziehst ihn an und wieder aus. Weißt du was, was ich nicht weiß, was ich aber wissen müsste?» Er bekam keine Antwort, nicht mal ein Kopfschütteln.
    Hätte Trude in diesem Augenblick den Kopf geschüttelt, wären ihr nur die Gedanken durcheinandergeraten. Sie waren ohnehin schwierig beisammenzuhalten. Heinz Lukka zu beschuldigen, hatte sie das wirklich gedacht? Da konnte sie Ben auch gleich selbst ans Messer liefern. Wenn einer nur zuschaute, was sollte man ihm da beweisen? Vom Zuschauen bekam man keinen blutigen Hemdrücken.
    Ihr Schweigen machte Jakob nervös und aggressiv. Obwohl er es nicht wollte, donnerte er plötzlich die Faust auf den Küchentisch und brüllte: «Herrgott nochmal! Wie soll ich mit dir reden, wenn du kein Wort sagst?»
    Sie zuckte nicht einmal zusammen. Er wartete eine volle Minute lang auf eine Reaktion, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, starrte zur Garderobe, strich sich über die Wangen, den Nacken, das Kinn. Und als immer noch nichts von ihr kam, fuhr er gereizt fort mit seiner Fragerei: «Woher willst du überhaupt wissen, dasser die Jacke auf der Wiese gefunden hat? Wenn er sich dort herumgetrieben hat, ist das noch lange kein Beweis. Sie kann ebenso gut auf dem Weg gelegen haben.»
    «Vielleicht hat er sie auf dem Weg gefunden», räumte Trude ein.
    Jakob nickte heftig. «Siehst du, genau das meine ich. Du kannst nicht einfach etwas behaupten, nur weil du Angst hast. Da kommt leicht so ein Verdacht zustande. Irgendeiner merkt immer, dass du lügst. Ich merke es jedenfalls. Und wenn Frau Stern die Jacke über dem Arm getragen hat   …»
    Er brach ab, starrte nun ebenso blicklos wie Trude in den Hausflur, als könnte die Jacke seine Fragen beantworten. Dann verlangte er: «Hol ihn runter.»
    Trude riss die Augen so weit auf, dass ihr Entsetzen Jakob an die Kehle sprang. «Jetzt schau mich nicht so an», murmelte er und wandte den Blick ab. «Ich will nur einen Spaziergang mit ihm machen. Vielleicht kann er mir zeigen, wo er das Ding gefunden hat. Da wären wir doch schon einen Schritt weiter.»
    Trude machte keine Anstalten, sich zu erheben. Jakob ging zur Tür und brummte: «Hol ich ihn eben selbst.»
    Da sprang sie auf. «Ich mach das.» Sie war so schnell an ihm vorbei, dass er nur den Kopf schütteln konnte.
    Jakob stieg langsam hinter ihr her die Treppe hinauf und folgte ihr in Bens Zimmer. Er lag bäuchlings auf dem Bett mit dem Gesicht zum Fenster. Als Trude eintrat und dicht hinter ihr Jakob, drehte er nur den Kopf. Der leidende Ausdruck auf seinem Gesicht berührte Jakob seltsam.
    «Na komm», forderte er in sanftem Ton, «wir gehen spazieren.» Doch das Losungswort verfehlte seine Wirkung. Ben drehte das Gesicht wieder zur anderen Seite.
    «Was ist los?», fragte Jakob. «Hast du keine Lust?»
    «Ihm wird der Rücken wehtun», sagte Trude dumpf.
    «Ach», Jakob wischte den Hinweis mit einer lässigen Geste zur Seite, hielt den Blick auf das Bett und den breiten Rücken gerichtet. Auf dem frischen Hemd war nichts zu erkennen. «Er ist doch nicht empfindlich, und auf dem Rücken soll er ja nicht laufen.»
    Dann ging er zum Bett, fasste nach Bens Hemd, zog es aus dem Hosenbund und schob es in die Höhe. Einen Moment lang betrachtete er die unzähligen Pflasterstreifen und presste unbewusst die Lippen aufeinander. «Das sind aber viele», sagte er über die Schulter zu Trude. «So blöd kann nicht mal er sein, dass er weiterkriecht, wenn’s ihm derart ins Fleisch schneidet. Da müsste er schon einen besonderen Grund haben.»
    Trude reagierte nicht. Jakob stopfte das Hemd wieder in den Hosenbund, tätschelte Bens Arm und verlangte noch einmal: «Na komm, wir machen einen Spaziergang.»
    «Ich komme auch mit», sagte Trude.
    Als Ben wenig später mit schlurfenden Schritten vor ihnen her auf die Abzweigung zuging, hatte sich die diffuse Furcht in Jakob gelegt. Bens Rücken eröffnete eine

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