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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Michael wütend ein. Uwe zwinkerte ihm zu, um ihm zu verstehen zu geben, daß er sich zurückhalten solle. Dann wandte er sich wieder an Erich.
    „Was wir von dir brauchen, ist ein ganzes Bündel von verschiedenen Hypothesen, wie es jetzt auf dem RELAIS aussehen könnte – und in seiner Umgebung natürlich. Dann legen wir uns für jede Hypothese eine Strategie zurecht. Selbst wenn dann keine deiner Hypothesen direkt zutrifft, wird es doch eine oder zwei geben, die den Tatsachen nahekommen, und wir können unser Verhalten danach einrichten. Ohne diese strategische Vorbereitung würden wir sicherlich grobe Fehler begehen, die unser Unternehmen in Frage stellen. Ist dir dieser Sachverhalt klar?“
    „Ich weiß ja nicht mal, ob die wenigen Fakten, die wir haben, zuverlässig sind!“ sagte Erich mürrisch.
    „Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“ fragte seine Frau empört.
    Uwes Stimme wurde ganz leise. „Wenn jemand Grund hat, Zweifel an der Zuverlässigkeit der anderen zu äußern, so muß er diesen Grund offen vortragen. Gibt es einen solchen Grund nicht, dann soll er auch nicht zweifeln.“
    Erich senkte den Kopf. Dann entschuldigte er sich. Uwe glaubte ihn zu verstehen. Aus der Institutsatmosphäre der wissenschaftlichen Akribie, aus der Polemik um wissenschaftliche Arbeiten an Bord eines Raumschiffes versetzt, eigentlich nur auf die Landung wartend, fühlte er sich ein bißchen als unglückliche Figur. Hinzu kam sicherlich, daß ihm bei aller Lockerheit des Tons die eben doch strengere Disziplin an Bord fremd war.
    Uwe beschwichtigte deshalb die anderen und fragte dann direkt: „Wann können wir die ersten Varianten diskutieren?“
    „Ich denke, in drei Tagen“, antwortete Erich bedrückt.
    „Gut, dann wollen wir diese kleine Meinungsverschiedenheit vergessen und unser erstes Abendbrot auf dieser Reise einnehmen. Guten Appetit!“
    „Ich glaube, mit dem ersten Tag können wir zufrieden sein“, sagte Irina, als sie später Uwe ins Bett brachte, um dann die erste Wache zu übernehmen. „Mir scheint, wir sind enger zusammengerückt.“
    „Hoffentlich hast du recht“, antwortete Uwe. „In ein paar Tagen haben wir die erste Arbeit, bei der wir uns keinen falschen Handgriff leisten können – das Absetzen des Triebwerks!“

    Das Annihilationstriebwerk, das zwei Drittel des Raumschiffs einnahm, durfte nicht mit gelandet werden. Der kleinste Wirbel im Magnetfeld eines Planeten hätte einen der magnetischen Tanks durchlässig machen können, in denen die Vorräte an Antistoff aufbewahrt wurden, und dann wäre das Raumschiff buchstäblich in Atome zersprengt worden. Aber auch ohne das wäre eine Landung mit diesem Antrieb nicht möglich gewesen: Der Photonenstrom hätte jeden Boden, auf dem das Raumschiff hätte landen wollen, verdampft und schon damit eine Landung unmöglich gemacht.
    Deshalb mußte das Annihilationstriebwerk im Raum geparkt werden, und zwar in gehörigem Abstand von der jeweiligen Sonne, in diesem Falle also von der Proxima Centauri. Die magnetischen Tanks für den Antistoff bestanden nämlich aus starken, hybriden Magnetfeldern, die von hochkomplizierten Spulensystemen erzeugt wurden. Während seiner Tätigkeit lieferte das Triebwerk den Strom für diese Spulen mit, aber wenn es stillgelegt und geparkt wurde, also für längere Zeit außer Betrieb war, wäre dazu eine zu umfangreiche Energiequelle nötig gewesen. Statt dessen wurden die Spulen auf so niedriger Temperatur gehalten, daß sie supraleitend wurden, also widerstandsfrei, und der Strom ohne Energiezufuhr floß.
    Der Abstand mußte also so groß sein, daß die Proxima das geparkte System nicht aufheizen konnte und daß andererseits die Parkbahn kein Gebiet mit magnetischen Wirbeln durchlief.
    Von diesem Zeitpunkt an lieferte zunächst ein nukleares und später, in der Atmosphäre, ein chemisches Triebwerk die nötige Antriebsenergie für das Raumschiff. Deren Kapazität war aber beschränkt, so daß vom Zeitpunkt des Absetzens an höchstens ganz geringfügige Änderungen des Flugprogramms möglich waren, etwa solche, die das Verbleiben des Raumschiffs auf irgendeiner Parkbahn verlängerten oder verkürzten.
    Es war daher verständlich, daß die Besatzung der TERRA alle einzelnen Phasen dieses Manövers mehrmals trainiert hatte und daß sie trotzdem mit Erregung in diesen entscheidenden Abschnitt des Fluges eintrat.
    Alle saßen auf ihren Arbeitsplätzen. Seit zehn Minuten war der Antrieb abgeschaltet, und

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