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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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als sie in ihre Schlafkammer ging.
    Der folgende Morgen brachte – nach dem programmgemäßen Gewitter – wieder einmal strahlend grünen Himmel. Alle Nervosität schien verflogen zu sein, die Versammlung war heiterer, zuversichtlicher Stimmung, und alle gaben ihre Berichte sachlich und konzentriert, aber doch mit einem gewissen freudigen Schwung, der sich weniger in der Wahl der Worte als in der Frische des Tons ausdrückte. Irina begann.
    „Ich habe zwei Gruppen von Organismen gründlich untersucht: ein kleines Exemplar der Spritzflasche, um bei Erichs Namensgebung zu bleiben, und einige der Sporen, die sich in den atmosphärischen Proben befanden, die wir der Stratosphäre entnommen haben. Natürlich sind aus den Ergebnissen keine direkten Schlußfolgerungen für die Beantwortung der einzigen Frage, die uns augenblicklich interessiert, zu ziehen. Sie legen nur Vermutungen nahe, die vielleicht die eine oder andere Hypothese unterstützen könnten. Die Spritzflasche kann kaum das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung sein, dazu ist sie zu hochorganisiert. Außerdem würde als Ergebnis einer natürlichen Entwicklung nicht nur eine Pflanzenart, sondern ein ganzes, aufeinander abgestimmtes System von Arten entstehen.
    Die zweite Frage, die zu beantworten war: Ist sie irdischen oder hiesigen Ursprungs? Das ist nicht eindeutig zu entscheiden. Ich neige jedoch dazu, sie für eine Weiterentwicklung einer hiesigen Pflanze zu halten. Ich habe im Katalog nachgesehen, was die RELAIS-Leute an entsprechendem Material an Bord hatten, und darunter war nichts, was günstige Möglichkeiten dafür geboten hätte.
    Hinzu kommt noch folgendes: Die Spritzflasche hat einen enorm hohen Wasserbedarf, und das könnte auf eine Weiterentwicklung aus einer Wasserpflanze schließen lassen, Wasserpflanzen aber dürfte es hier auch schon in entsprechend hoher Kompliziertheit gegeben haben. Daraus läßt sich die vage Vermutung ableiten, daß die RELAIS-Leute ihren Standort an die Küste des Ozeans verlegt haben, und zwar an eine Stelle, an der der Festlandsockel möglichst weit hinausragt und die außerdem vor allzu heftigen Strömungen und Stürmen geschützt ist, so daß günstige Bedingungen für eine entwickelte Meeresflora bestehen.
    Die aufgefangenen Sporen sind prinzipiell anderer Art. Wichtig erscheint mir dabei nur, daß sie in Luftströmungen enthalten waren, die aus nördlichen Breiten kamen.“
    Erika schloß sich an: „Meine Ergebnisse sind im wesentlichen in Erichs Schlußfolgerungen eingeflossen. Ich möchte unabhängig davon nur einen Hinweis geben, der zwar nicht für die Entscheidung unseres Problems, aber doch für seine spätere praktische Lösung von Bedeutung ist: Die Auswertung der Hubschrauber-Luftaufnahmen hat ergeben, daß unser Landeplatz ringsum von einem zusammenhängenden Vegetationsgebiet völlig eingeschlossen ist. Wir befinden uns also auf einer Lichtung im Spritzflaschenwald.“
    Michael hatte einen Stapel beschriebener Bogen vor sich liegen, aber er blickte jetzt nicht mehr hinein, während er sprach.
    „Ich habe versucht, auf der Grundlage der Ökonomie des Materials, der Energie und der Transportmittel zu berechnen, wie weit die RELAIS-Leute maximal wandern konnten. Das ist nun leider eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Wir wissen erstens nicht, ob sie sofort nach ihrer Landung oder erst unter dem Einfluß der erhöhten Strahlungsemission der Proxima losgezogen sind. Das ist weniger eine Frage der Zeit, denn die Differenz zwischen der Landung und der Unfähigkeit, die Sonden abzurufen, also der ersten, uns bekannten Folge der erhöhten Emission, beträgt höchstens drei Jahre. Aber Weg und Methode hängen davon ab, ob es sich mehr um einen Vormarsch oder um einen Rückzug gehandelt hat. Der Wunsch, das hier existierende Leben auszunutzen, mußte sie zwar ans Meer führen, aber solange die Sonden regelmäßig kamen und zur Verfügung standen, war ihr Energiehaushalt voll aus Kernreaktionen zu decken. Sie konnten sich also, wenn sie das gewollt hätten, Zeit lassen, Zwischenstationen beziehen, den Planeten gründlich studieren. Ihr Aktionsradius war unter diesen Bedingungen unbegrenzt. Erst als sie keine Sonden mehr bekamen, waren sie gezwungen, einem festen Quartier zuzustreben, in dem sie ihren gesamten Energiebedarf, also sowohl den des Körpers als auch den technischen, aus biologischen Quellen zu decken vermochten.
    Ich konnte also mit einem relativ hohen Anspruch auf Gültigkeit ihren

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