Der Putzteufel geht um
ihn ohne viel Federlesens ins Arbeitszimmer. Nach der Untersuchung begleitete Ben Dr. Solomon zum Wagen zurück.
»Jonas ist besser im Schuß als viele, die nur halb so alt sind wie er, hat der Arzt gesagt«, berichtete Ben mir anschließend. »Wir sollen weiterhin darauf achten, daß der alte Knabe eine regelmäßige Dosis seiner Medizin bekommt – Bewegung, geistige Anregung und viel frische Luft. Und ich soll dir sagen, daß du aufhören sollst, dir Sorgen zu machen.«
Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte mein Herz gejubelt, doch im Moment wurde ich einfach nur von Minute zu Minute aufgeregter und nervöser. Freddys pausenloses Gequassel von unserem geilen Abenteuer, wie er es nannte, gab mir noch den Rest. Ich ließ ihn jedoch gewähren, denn ich war froh, daß er und Mrs. Nettle sich am nächsten Tag die Häuser von Brigadegeneral Lester-Smith und Tom Tingle vornehmen wollten. Mittlerweile fand ich nämlich, daß ich gar nicht zur Spionin taugte. Der Job paßte viel besser zu dünnen Menschen, die sich hinter der Vertäfelung oder der Tapete verstecken konnten, wenn etwas schiefging. Wir hatten ausgemacht, daß sich beide Arbeitsgruppen am Montag morgen um halb neun in Merlin’s Court treffen würden, um vorab eine Tasse Tee zu trinken und sich letztmalig moralisch zu stärken. Freddy tauchte ausnahmsweise einmal zu früh auf, war widerlich munter und wollte permanent wissen, ob er sich den Pferdeschwanz unter ein Haarnetz stopfen und andere Ohrringe tragen sollte, um wie eine richtige Putzfrau auszusehen. Ben schlug ihm vor, ein geblümtes Schürzchen umzubinden. Wenig später traf auch Mrs. Nettle ein. Nur von Mrs. Malloy war weit und breit keine Spur.
Wir tranken unseren Tee. Ich ging nach oben, um nachzusehen, ob Jonas auch wirklich mit den Zwillingen zurechtkam. Er las ihnen gerade aus einem ihrer Lieblingsbücher vor. Ich wies ihn noch einmal darauf hin, daß unten Müsliflocken, Pflaumenkompott, Pfirsiche und Feigen zum Frühstück stünden. Und Quiche und Salat im Kühlschrank zum Mittagessen. Aber es war offensichtlich, daß alle drei mehr an dem kleinen Drachen interessiert waren, der schon seit Beginn aller Zeiten auf der Erde wohnte. Nachdem ich sie an mich gedrückt hatte, kehrte ich wieder in die Küche zurück. Immer noch keine Mrs. Malloy. Und dabei war es jetzt schon Viertel vor neun.
»Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.« Mrs. Nettle stand mit buschigen Brauen und Adlernase vor mir, die Arme um die Riesentüte mit Abigails hausgemachten Reinigungsmitteln geschlungen. »Roxie ist sonst pünktlich wie die Maurer.« »Vielleicht hat sie den Bus verpaßt«, mutmaßte Freddy. »Vielleicht.« Mrs. Nettle fing an, mit dem Fuß auf den Boden zu tippen und griff dabei Bens Rhythmus auf, der damit schon seit einigen Minuten zu Gange war.
»Wir warten noch fünf Minuten«, sagte er. Trotz meiner Beklommenheit fiel mir auf, daß er wie der Traumputzmann einer jeden Frau wirkte. Seine Zähne waren genauso weiß wie das Hemd, das er am Hals offen unter einem marineblauen Pullover trug, und seine khakifarbene Hose mit den scharfen Bügelfalten sah aus, als sei sie ihm von Beau Brummeis Schneider persönlich verpaßt worden. Mein Kleid war ebenfalls blau. Ich hatte es ganz hinten aus dem Kleiderschrank hervorgegraben und fand, daß es mich irgendwie dienstbar aussehen ließ. Außerdem hatte ich die Haare im Nacken zu einem kleinen Hausmädchenknoten zusammengezwirbelt. Ich wollte aber nicht weiter darüber nachdenken, wie leicht es gewesen war, mich in die typische Hausangestellte zu verwandeln. Es war zu deprimierend. Doch als der Uhrzeiger immer weiter auf die Neun zurückte, ging mir sowieso nur noch durch den Kopf, daß nichts außer einer Katastrophe Mrs. Malloy hätte davon abhalten können, hier zu erscheinen. »Wir müssen ohne sie los«, sagte Ben. »Vielleicht hat sie uns falsch verstanden und glaubt, wir würden uns bei den Millers treffen.«
»O nein, niemals«, protestierte ich. »Wir sind alles hundertmal durchgegangen.«
»Ich weiß nicht.« Mrs. Nettles Miene hellte sich ein wenig auf. »Roxie ist schon seit einiger Zeit irgendwie komisch. Ich meine sogar, das hätte schon vor den letzten Morden angefangen. Sie ist ja auch bei Gertrudes Beerdigung nicht aufgetaucht. Und da hatte sie auch gesagt, sie käme.« »Das stimmt.« Ben wurde sichtlich lockerer, und ich gab mir ebenfalls Mühe, einen zuversichtlichen Eindruck zu machen, obwohl meine Innereien sich weiterhin zu Knoten verschlangen,
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