Der Putzteufel geht um
Schon gar nicht vor dem Mann, den sie liebt. Vielleicht ist sie in Tall Chimneys erst ins Arbeitszimmer geschlichen, um Mrs. Large noch einmal um Gnade anzuflehen. Als das nichts genützt hat, ist ihr die Sicherung durchgeknallt.« Mrs. Nettle saß da, Gesicht und Adlernase zwischen den hochgezogenen Schultern eingezwängt. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Gertrude sich groß für Miss Whitcombes Klavierspielerei interessiert hätte. Bestimmt nicht genug – Sie müssen entschuldigen, Mrs. Haskell, wenn ich das so offen sage –, um so ein Trara zu machen und die Angelegenheit dem VPFVCF vorzulegen.«
»Glauben Sie nicht, daß Mrs. Large, die ja auch für den Brigadegeneral geputzt hat, sich Sorgen gemacht hätte, wenn er von einer unaufrichtigen Frau in eine ernsthafte Bindung gelockt würde?«
Mrs. Nettle wurde nachdenklich. »So gesehen könnte ich mir das schon vorstellen. Gert war immer von Grund auf ehrlich, bei allem was sie tat, und sie war jedem, für den sie gearbeitet hat, treu ergeben. Wäre wahrscheinlich schwierig für sie gewesen zu entscheiden, was in dem Fall die Pflicht verlangt.« »Brigadegeneral Lester-Smith ist selbst aber auch kein Vorzeigekandidat, wenn es um Ehrlichkeit geht.« Ich richtete mich kerzengerade auf. Was hatte Freddy da gesagt? »Etwa weil er angefangen hat, sich die Haare zu färben?« fragte ich giftig.
Mein Cousin grinste durch den struppigen Bart. Dann wurde er jedoch ernst und sagte: »Tut mir leid, Ellie, ich weiß, daß du den Brigadegeneral… wie du ihn nennst, gut leiden kannst, aber…«
»Was willst du damit sagen?« riefen Ben und ich im Duett. »Mrs. Nettle und ich haben während unserer Arbeitszeit auch ein paar Dinge ausgegraben. Unter anderem eine goldene Uhr, die wir in Lester-Smiths Nachttisch fanden.« »Und?« Draußen war es in der Zwischenzeit dunkel geworden, aber da wir die Lampen brennen hatten, gab es eigentlich keinen Grund, daß die Küche mit einem Mal so unheimlich wirkte, oder daß Tobias’ Satz vom Schaukelstuhl einen derart langen Schatten warf.
»Es war etwas eingraviert.« Freddy machte mich halb verrückt, weil er alles nur in Bruchstücken von sich gab. »Es war ein Abschiedsgeschenk, das man deinem Freund überreicht hatte, Ellie. Nach dreißigjähriger Dienstzeit als Sachbearbeiter in einer Anwaltskanzlei. Er ist kein Brigadegeneral. Er hat noch nicht einmal einen Doppelnamen. Lester ist sein zweiter Vorname. Dürften wir demnach nicht ebensogut annehmen, daß Mrs. Large sich gesorgt hat, weil der einfache Mr. Smith Clarice Whitcombe unter Vorspiegelung falscher Tatsachen schöne Augen machte? Vielleicht wollte sie der armen Frau Bescheid sagen, ehe es zu spät war!«
Kapitel Dreizehn
Die Spiegel mit einem Flanelltuch abreiben, das vorher in warmem Wasser ausgewrungen und in Schlämmkreide gestippt wird.
Den Goldrahmen nur abstauben, denn ihm schadet auch schon das kleinste bißchen Feuchtigkeit.
Als ich spät am Abend im Bett lag, wollte ich mich auf etwas Leichtes konzentrieren. Da mir so schnell nichts Passendes einfiel, versuchte ich mir einzureden, daß Freddy sich geirrt hatte, was Brigadegeneral Lester-Smith anging, und daß die Gravur auf der goldenen Armbanduhr gar nichts zu bedeuten hatte. Vielleicht stimmte es ja, daß er dreißig Jahre lang als Sachbearbeiter in einer Kanzlei gearbeitet hatte, sich aber trotzdem, sozusagen nebenberuflich, an Wochenenden oder abends, zum Brigadegeneral weitergebildet hatte. Und schließlich hatte er, in Anerkennung seiner Dienste für Gott und Vaterland, die Erlaubnis erhalten, den Doppelnamen zu führen. Es gelang mir nicht, mich davon zu überzeugen. Deshalb fing ich an, mir Entschuldigungen für ihn auszudenken. Bestimmt hatten ihm die anderen Kinder früher in der Schule wegen seiner rotblonden Haare Spottnamen nachgerufen. Dinge wie »Möhre« und dergleichen. Daraufhin hatte er Tag und Nacht davon geträumt, daß er der Welt schon noch zeigen würde, was er alles erreichen kann. Und als er nichts davon erreichte, dachte er es sich einfach aus. Nun, für mich würde er immer der Brigadegeneral Lester-Smith bleiben, und ich würde nie – nicht eine Sekunde lang – auf die Stimme hören, die in meinem Inneren flüsterte, daß ein Körnchen Wahrheit in dem steckte, was Leute wie Mrs. Malloy immer sagten. Daß nämlich einem Mann, der sich die Haare färbt, nie ganz zu trauen sei. Wo stecken Sie, Mrs. Malloy? Ich war zu müde, um noch klar denken zu können, aber der Schlaf stellte
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