Der Putzteufel geht um
Gertrude – wir waren befreundet.« Die kleine Frau ließ die Handtasche fallen, als sie sich die Augen wischte, und ich hob sie für sie auf. »Jedenfalls hat Mrs. Taffer mir anschließend erzählt, was Sie ihr erzählt haben, und ich bin regelrecht zusammengebrochen. Konnte nichts mehr sagen. Und jetzt rede ich hier mit Ihnen, ohne Ihnen zu erklären, wer ich bin.« Sie kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch und putzte sich die gerötete Nase. »Sie haben mich mal an der Bushaltestelle getroffen, mit Roxie Malloy, aber daran erinnern Sie sich bestimmt nicht mehr.« »Doch natürlich«, sagte ich, da mir allmählich ein Licht aufging. »Sie sind Mrs. Smalley.«
»Und Mitglied des VPFVCF.« Ein Anflug von Stolz schlich sich in ihre Stimme, während sie sich weiterhin die Augen betupfte. »Wir stehen uns alle sehr nahe, aber Gertrude und Roxie waren besonders dick miteinander, und deshalb dachte ich, daß sie sich bei Roxie vielleicht das Herz ausgeschüttet hat.« »Wegen was denn?« fragte ich und schob das Tablett weiter bis zur Sandwich- und Salattheke, wo alles abgepackt war und ich mich selbst bedienen konnte.
»Das ist es ja gerade.« Mrs. Smalley trat näher an mich heran und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Sie wollte ja weder bei mir noch bei Betty oder Trina mit der Sprache raus. Gertrude behelligte andere nicht gern mit ihren Sorgen. Hat viel im Leben runtergeschluckt. Aber in der letzten Zeit konnte jeder sehen, daß sie irgendwas gewurmt hat – hat sie ja richtig krank gemacht! Ich dachte, sie hätte Roxie etwas gesagt.« »Aber Mrs. Malloy ist doch in London«, warf ich ein und legte eine Tüte Chips neben den Tomaten-und-Käse-Sandwich auf mein Tablett.
»Gertrude hätte sie doch besuchen können«, entgegnete Mrs. Smalley. »Und außerdem gibt’s ja auch noch Telefon.« Das stimmte natürlich, und sofort erwachte das seltsame Gefühl wieder zum Leben, das seit dem Schock von Mrs. Larges Tod in mir schlummerte. Jetzt wußte ich wieder, wieso mir der Gedanke gekommen war, daß man sie von der Leiter gestoßen haben könnte. Es hatte an Mrs. Malloys Telefonanruf gelegen. Nachdem ich noch eine Tasse Tee auf mein Tablett gestellt hatte und die Frau an der Kasse meine Sachen eintippte, versuchte ich mich daran zu erinnern, was Mrs. Malloy im einzelnen gesagt hatte. Doch alles, was mir einfiel, war mein Entsetzen aufgrund des zerbrochenen Spiegels.
»Warum suchen wir uns nicht ein Plätzchen und unterhalten uns in Ruhe darüber?« schlug ich vor, und Mrs. Smalley willigte dankbar ein. Kurz darauf saßen wir in einer Ecke an einem Fenster, von dem aus man über die Market Street sehen konnte. »Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, mit mir zu reden, Mrs. Haskell.« Mrs. Smalley nippte wie ein kleiner Vogel an ihrem Tee und stellte die Tasse dann klappernd zurück auf den Unterteller. »Wissen Sie, seit ich die Nachricht gehört habe, geht mir das ganze nämlich nicht mehr aus dem Sinn. Das mit Gertrude, und wie sie so besorgt und durcheinander war, meine ich. Sie war nie besonders fröhlich, aber diesmal war es irgendwie anders. Sie hatte nur noch zwei linke Hände, und das war vorher nie der Fall. Hat mir erzählt, daß sie beim Spülen bei Brigadegeneral Lester-Smith eine Teekanne kaputtgemacht hat, eine, die noch von seiner Mutter stammte. Häßliches altes Ding, wie Gertrude sagte, aber trotzdem…«
»Bei mir hat sie einen Spiegel zerbrochen.« Ich sagte schnell, daß ich beileibe keine unangenehmen Geschichten verbreiten wolle, setzte dann jedoch der Vollständigkeit halber hinzu: »Außerdem ist sie am ersten Morgen zu spät gekommen, was sicher auch etwas zu bedeuten hat. Sie sagte, sie hätte eine schlechte Nacht hinter sich. Aber ihre Arbeit hat sie einwandfrei gemacht. Übrigens hat Mrs. Malloy in der Zeit tatsächlich angerufen.« Ich wollte schon die wenigen Bruchstücke von mir geben, die mir langsam wieder ins Gedächtnis kamen, aber im letzten Moment hielt ich mich zurück. Mrs. Malloy sollte besser selbst entscheiden, was sie weitererzählen wollte und was nicht.
»Roxie wußte, daß Gertrude an dem Tag bei Ihnen war?« Mrs. Smalley nickte vielsagend mit dem Kopf. »Das sagt Ihnen doch schon, wie nahe sich die beiden standen, oder nicht?« »Mrs. Malloy hat bei Mrs. Large ein gutes Wort für mich eingelegt. Vielleicht haben sie dabei auch den entsprechenden Tag erwähnt.« Ich biß ein Häppchen von meinem Sandwich ab, trank einen Schluck Tee und wartete darauf, daß
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