Der Putzteufel geht um
zu essen und anschließend einkaufen zu gehen. »Irgend etwas hat sie wohl aufgehalten«, sagte Mrs. Smalley. »Aber sie kommt schon noch. Sie weiß, daß ich warte. Ihr die Geschichte mit Gertrude zu erzählen, wird nicht gerade einfach sein.«
Als ich mich verabschiedete, kam ich mir vor wie jemand, der einen guten Freund im Stich läßt, aber es wurde allmählich Zeit, die Kinder abzuholen. Ich war schon fast an der Tür, als plötzlich aus nächster Nähe eine mißmutige Stimme ertönte. Sie war jedoch nicht an mich gerichtet, sondern an jemanden namens Edward. Ich drehte mich trotzdem automatisch um und entdeckte ein Ehepaar, das an der Theke der Cafeteria wartete. »Du weißt genau, daß ich ins Abigail’s wollte, Edward, und das schon seit deine Mutter uns erzählt hat, wie gut sie da vor ein paar Monaten gegessen hat.« Die Frau kam frisch vom Friseur und hatte ein riesengroßes Seidentuch um die Schultern ihres rosaroten Mohairmantels drapiert. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie enttäuscht ich bin.« Sie knallte die Serviettenrolle mit dem Besteck auf ihr Tablett.
»Ja, mein Schatz«, erwiderte der Mann mit der Geduld eines Menschen, der schon viele Sätze mit diesen Worten begonnen hat. »Aber was hätte ich denn machen sollen? Ich habe die Demonstranten nicht vor das Restaurant gestellt, oder? Und wenn du unbedingt reingewollt hättest, wäre ich dir gefolgt.« »Ja, ganz bestimmt! Und hättest dich unter meinem Rock verkrochen, was?« Die Frau gab ein verächtliches Schnauben von sich und schlug seine Hand zur Seite, als diese nach Brötchen und Butter greifen wollte, die Edward, das muß man der Gerechtigkeit halber sagen, wirklich nicht brauchte. »Na klar habe ich Angst gehabt«, jammerte er und lutschte an den Fingerknöcheln. »Wäre doch jedem vernünftigen Menschen so gegangen, wenn die alle durch die Gegend brüllen. Soll ich mich als blutrünstigen Kuhmörder hinstellen lassen, wenn ich mir mal einen schönen Tag gönnen will? Doch wohl kaum. Aber wenn du dein Leben riskieren willst, um…« Ich hatte genug gehört. Jetzt war mir auch klar, warum Freddy seine Abneigung gegen unnötige Wege überwunden hatte, um über die Straße zu laufen und mir auszureden, ins Abigail’s zu kommen. Es war ihm nicht etwa nahegegangen, zu sehen, wie ich mich in die Parklücke mühte. Er war nur wild entschlossen gewesen, mich vom Anblick der Demonstranten fernzuhalten. Die Leute würden Schlange stehen, hatte er gesagt! So konnte man es auch ausdrücken. Und Ben hatte wahrscheinlich tatsächlich alle Hände voll zu tun gehabt, die Kellner und Kellnerinnen von den Fenstern wegzuschieben, damit die Tierschützer ihnen keine Pflastersteine an die Köpfe warfen. Der Aufzug brachte mich ins Parterre zurück und ließ mich am Kosmetikstand von Estee Lauder heraus. Von dort aus waren es nur ein paar Schritte zum Ausgang Market Street. Es hatte keinen Zweck, den Wagen zu nehmen und vor dem Abigail’s erneut einzuparken, denn bis zum Restaurant war es nicht weit, und ich brauchte ohnehin Zeit, um mich wieder abzuregen. Freddy konnte ich nicht böse sein, er hatte zweifellos nur das Beste gewollt. Aber in bezug auf die Demonstranten war ich außer mir vor Wut. Am liebsten wäre ich wie ein Wahnsinnige über sie hergefallen und hätte mit der Handtasche auf sie eingeprügelt. Doch vielleicht war es vernünftiger, wenn ich das nicht tat. Ben hätte mit Sicherheit nichts davon, wenn seine Frau vor aller Augen verhaftet würde.
Die Sonnenstrahlen tauchten den Bürgersteig in ein goldenes Licht. Ungerecht, dachte ich. Wo bleibt das Mistwetter, wenn man es braucht? Es müßte jetzt gießen, damit die Demonstranten bis auf die Knochen naß wurden. Dann konnten sie sich erst richtig in ihrer Opferrolle baden.
Als ich um die Ecke in die Spittle Lane bog, sah ich sie vor mir. Ein kleiner Menschentrupp stand vor dem Abigail’s und hielt Plakattafeln in die Höhe – leider nicht hoch genug, um Armkrämpfe zu bekommen. Auf einigen Plakaten stand: »Heute kein Schlachtfest! Nie wieder Fleisch!« Auf anderen hieß es »Du sollst nicht töten«. Und manche waren mit braunroter Farbe bespritzt – zumindest hoffte ich, daß es Farbe war. Ein Gesicht ragte aus der Menge heraus. Es gehörte Mrs. Barrow, der Kirchenorganistin, eine Frau, die bekanntermaßen radikale Ansichten vertrat, wie beispielsweise, daß man Missionare zum Mars schicken müsse, um die Außerirdischen zu bekehren. Sie war es auch, die vor Jahren gegen die
Weitere Kostenlose Bücher