Der Putzteufel geht um
Kirche. »Wann warst du denn in der Kirche?« fragte ich.
»Na, letzten Sonntag. Aber vielleicht habe ich es auch nur geträumt« Bunty schwang sich auf die Tischkante und ließ die Beine baumeln wie ein kleines Kind. »Ich habe nämlich geträumt, daß Lionel und ich noch mal geheiratet haben. Die Kirche war proppenvoll, ein paar Leute mußten sogar stehen. Nur du warst nicht da, und deshalb war ich sehr beleidigt.« »Du hattest mir keine Einladung geschickt.« Ich wollte gerade wieder den Kessel für frischen Tee aufsetzen, aber als ich auf die Uhr sah, stellte ich fest, daß der Morgen bereits weit genug fortgeschritten war, so daß wir uns ein Glas Sherry genehmigen konnten. »Prost!« sagte ich und reichte Bunty ein Glas. »Gibt es tatsächlich Grund zum Feiern? Seid ihr wieder ein Paar?« »Noch nicht richtig«, seufzte sie, obwohl sie dabei nicht besonders traurig aussah. »Ich habe ihm nur erlaubt, mich zum Essen auszuführen. Der Mensch muß schließlich essen, und du weißt, wie knickerig er sich bei der Scheidung angestellt hat. Nicht, daß ich ihm das vorwerfe.« Sie krauste die hübsche Nase und nippte an ihrem Sherry. »Er wußte ja, daß er sich wegen dieser fürchterlichen Frau zum Narren gemacht hatte. Er hat tatsächlich geglaubt, daß er sie liebt. Armer alter Lionel! Danach hat er gedacht, wenn er mich ohne einen Pfennig sitzenläßt, komme ich wieder zu ihm gekrochen. Jetzt macht es ihn fertig, daß ich mich auch allein über Wasser halten kann. Wenn ich einen Job verliere, taucht gleich der nächste auf. Habe ich dir erzählt, daß ich jetzt für Ward und Gantry arbeite, die Immobilienmakler an der Seascape Road?«
»Nein, wir haben uns ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.« Ich holte eine Packung Knabberkekse aus der Speisekammer und richtete sie mit ein paar Stückchen Käse auf einem Teller an. »Aber ich weiß es zu schätzen, daß du dich extra deswegen herbemüht hast.«
»Oh, deshalb bin ich nicht gekommen.« Bunty hüpfte vom Tisch herunter, ohne auch nur ein Tröpfchen Sherry zu verkleckern, scheuchte Tobias aus dem Stuhl, auf dem er es sich gerade bequem gemacht hatte, und setzte sich auf den freigewordenen Platz. »Ich bin extra aus der Mittagspause hergerast, weil ich ein bißchen Tratsch loswerden wollte. Eigentlich dürfte ich dir gar nichts davon erzählen, und eigentlich hätte auch Lionel mir nichts davon erzählen dürfen…« Sie hielt inne, beäugte den Teller mit dem Knabbergebäck und dem Käse und fragte, ob ich nicht noch ein paar Gürkchen hätte.
»Was hätte Lionel dir nicht erzählen dürfen?« Ich schraubte das Gurkenglas auf und häufte ihr die Gürkchen sogar eigenhändig auf den Teller, damit sie all ihre Energie aufs Plaudern konzentrieren konnte.
»Das mit dem Testament.« Bunty machte sich über den Teller her.
»Was für ein Testament?«
Sie nahm ein Stückchen Käse. »Das er für die verstorbene Mrs. Large aufgesetzt hat. Siehst du, ich wußte, daß es dich interessiert, Ellie! Du solltest mal dein Gesicht sehen! Du lechzt ja richtig nach dem Knüller. Aber ich weiß nicht« – sie tat so, als müsse sie erst noch einmal überlegen –, »vielleicht ist es falsch, wenn ich dir etwas sage, was Lionel mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hat.«
»Möchtest du dein Gewissen in einem weiteren Sherry ertränken?« erkundigte ich mich.
»Oh, warum nicht.« Bunty hielt mir ihr Glas entgegen. »Ich fahre ja mit dem Bus. Natürlich darf der Busfahrer dann nicht tot zusammenbrechen, so daß ich das Steuer übernehmen muß. Obwohl so was schon vorgekommen sein soll, wie du weißt. Nimm nur Mrs. Large. Ein klassisches Beispiel – gestern noch auf hohen Rossen und heute mausetot. Und du warst da, als es passiert ist, stimmt’s? Das muß ja furchtbar gewesen sein.« Sie schauderte, aber ihre Augen gierten mich unverwandt an. »Klinge ich zu gefühllos? Hast du die Frau gut gekannt?« »Sie sollte Mrs. Malloy ersetzen, aber sie war leider nur einmal da.« Ich tat tiefbewegt. »Aber es macht mir nichts aus, darüber zu reden. Und du darfst dich auch nicht zum Schweigen zwingen, Bunty, das bringt nichts. Aber wenn es dir zu schwer fällt, über das Testament zu reden, dann behalte es ruhig für dich.« »Quatsch!« Bunty setzte sich gerade hin und machte ein entschlossenes Gesicht. »Besonders du hast jedes Recht der Welt, alles zu erfahren, wenn man bedenkt, was du mitgemacht hast. Du bist ja sozusagen über die Leiche gestolpert! Clarice
Weitere Kostenlose Bücher