Der Puzzlemoerder von Zons
direkt vor dem Mühlenturm. Das Feldtor, eine große Doppeltoranlage mit Zugbrücke, war nur wenige Meter entfernt und rund um die Uhr von der Stadtwache besetzt, da dies der einzige Zugang zu Zons vom Westen her war. Und so fing sie nach ein paar Wochen der Vorsicht wieder an, die Tür zum Haus offen stehen zu lassen. Bis vor zwei Tagen hatte sie immer den großen Riegel davor geschoben. Doch irgendwann war sie es einfach leid, das schwere Ding jedes Mal hoch zu heben. Der Mord an Elisabeth war langsam aus ihrem Gedächtnis gewichen und eine scheinbare Sicherheit legte sich wie ein Schleier über ihre Angstinstinkte und so sah sie die Gefahr nicht kommen.
Er hatte sich mitten am Tag in ihr Haus geschlichen und ihr aufgelauert, als sie in der Speisekammer die Zutaten für das Mittagsmahl auswählen wollte. Er fesselte sie und rammte ihr ein raues Stück Stoff so tief in die Kehle hinein, dass sie schon hoffte, daran zu ersticken, bevor er sich an ihr vergehen konnte. Doch er bemerkte, dass sie kaum Luft bekam und lockerte den Knebel so, dass sie gerade noch atmen konnte. Dann rasierte er ihr in der Speisekammer die Haare ab und von diesem Moment an war sie sich sicher, dass ihr dasselbe Schicksal wie Elisabeth bevor stand. Nachdem sie ihre wunderschönen langen blonden Locken verloren hatte, flößte er ihr literweise Rotwein ein. Anfangs musste sie sich übergeben, aber jedes Mal schlug er sie so brutal, dass sie sich schließlich fügte und den Brechreiz unterdrückte. Irgendwann verlor sie das Bewusstsein und erst im kalten Rheinwasser kam sie wieder zu sich.
Wieder erreichte eine Welle schmatzend ihren Mund und sie versuchte gerade wieder verzweifelt den Kopf nach oben weg zu drehen, als sie plötzlich ein Stückchen aus dem Wasser gezogen wurde. Eine schreckliche Vorahnung verdunkelte ihr Herz . Er blickte sie aus schwarzen und unerbittlichen Augen an. Sie konnte sich nicht bewegen und hatte nicht die geringste Chance, sich zu wehren. Angst und Panik sorgten dafür, dass ihr Körper vor Adrenalin zu sprengen drohte. Ihr Körper war halb erfroren und so bemerkte sie dankbar, dass sie fast nichts spürte, als er brutal in sie eindrang und mit widerlichen, grunzenden Geräuschen seinen Höhepunkt erreichte. Sie spürte nur noch, wie er ihr dabei die Luft an der Kehle abschnürte. Zuerst reagierte sie panisch, doch dann wurde ihr bewusst, dass ihr Leiden jede Sekunde zu Ende war und so versuchte sie sich in den letzten Momenten ihres Lebens daran zu klammern, dass Gott sie gleich zu sich ins Paradies holen würde.
XI .
Gegenwart
Emily rieb sich müde die Augen. Der helle Mond schien in ihr Zimmer hinein. Er sah schon sehr rund aus, aber erst in zwei Tagen würde wieder Vollmond sein. Sie schaute auf die Uhr.
„Mist, schon wieder so spät“, dachte sie.
Es war kurz nach Mitternacht und sie hatte den ersten Teil ihrer Reportage für die Rheinische Post immer noch nicht fertig; dabei war in zwei Tagen Abgabetermin. Wie sollte sie das nur schaffen? In der letzten Woche hatte sie fast nichts tun können, weil eine schwere Grippe sie ans Bett gefesselt hatte. Fiebernd und schwitzend hatte sie die letzten Tage mit Antibiotika im Schlafzimmer verbracht. Ihr Kopf hatte sich angefühlt, als würde er so groß wie der ganze Raum sein und von einer Seite der Wand bis zu anderen reichen.
Heute war der erste Tag, an dem es ihr besser ging. In ein paar Tagen war Weihnachten und vorher musste sie unbedingt mit dem Artikel fertig werden. Der Redakteur von der Rheinischen Post hatte ihr gesagt, dass das Lektorat mindestens einen Tag benötigen würde, um ihren Artikel Korrektur zu lesen. Also konnte sie sich keine weiteren Verzögerungen mehr leisten. Anna hatte sich rührend um sie gekümmert und sie jeden Tag mit Hühnerbrühe und heißem Tee versorgt. Die recherchierten Unterlagen waren von ihr ordentlich vervollständigt und sortiert worden und lagen nun ausgebreitet um Emilys Wohnzimmercouch herum.
Den ersten Mord hatte Emily fast fertig beschrieben und auch Anna war nach einigen Korrekturen begeistert. Doch die Lösung für das Puzzle bereitete ihr noch einige Schwierigkeiten. Zwar führte damals der Ermittler der historischen Stadtwache, Bastian Mühlenberg, sehr viele Einzelheiten in seinem Notizbuch auf, aber sie verstand nicht, wie das Rätsel um die einzelnen Ziffern und Buchstaben zu lösen war. Bastian Mühlenberg beschrieb die Lösung genau, aber ihr fehlte dummerweise der historische Stadtplan von Zons, um
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