Der Puzzlemoerder von Zons
könnte er noch etwas von seiner Mutter spüren, die bei seiner Geburt verstorben war. Ich selbst habe ihm gesagt, dass bei Vollmond nichts unmöglich sei, wenn man nur genug Opfer bringen würde.“
„Und Ihr meint, solch ein Opfer könnte ein Mädchen aus Zons sein?“, fragte Bastian mit bebender Stimme.
„Ich habe immer versucht, Dietrich auf den richtigen Pfad zurückzubringen. Aber es war bereits zu spät. Ich befürchte, Ihr habt Recht Bastian. Ich denke, er hat erst das Mädchen ermordet und sich dann auf einen Eckpunkt auf die Zonser Mauer gestellt. Ich hoffe nur, dass er bekommen hat, was er wollte. Nur dann könnt Ihr sicher sein, dass er weiter zieht und kein neues Unheil in Eurer kleinen Stadt anrichtet.“
„Aber dann wäre er sicher nach Hause zurückgekehrt und Ihr hättet ihn längst wieder gesehen. Habe ich Recht?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte der Alte nachdenklich.
„Ich hoffe, dass Ihr falsch liegt. Doch ich kann es wirklich nicht sagen. Dietrich ist ein zu komplizierter Kopf.“
M it diesen Worten erhob sich der Alte und forderte Bastian nickend auf, es ihm nach zu tun. Mittlerweile war es tiefste Nacht und der kalte Frost hatte sich tief in ihre Körper gefressen. Das lange Liegen auf der Wiese hatte ihre Muskeln steif gemacht und so bereitete es den beiden einige Mühe, zum Hof zurückzukehren. Bastian spürte bei dieser Kälte keinerlei Hunger mehr und so ging er direkt auf sein Zimmer zurück und verfiel in einen tiefen Schlaf.
...
Am nächsten Morgen machte Bastian sich in aller Frühe auf den Rückweg nach Zons. Der Weg würde ihn einen halben Tag kosten. Er verabschiedete sich höflich von dem alten Hellseher und bedankte sich für die Dinge, die er ihm gezeigt hatte. Bastian war sich noch nicht ganz sicher, ob ihm das magische Sternentrapez, welches der Alte ihm enthüllt hatte, auch wirklich weiterhelfen konnte. Gewiss, er konnte jetzt bei Vollmond auf jedem der vier Zonser Türme die Wachen verstärken und hoffen, dass Dietrich Hellenbroich dort auftauchen würde. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass der Mörder sich so leicht fangen ließ. Einen Versuch war es sicher wert, denn schließlich konnte Dietrich nicht ahnen, dass Bastian sich die Mühe machen würde, den alten Hellseher aufzusuchen. Und er rechnete wahrscheinlich auch nicht damit, dass der Alte ihm das Geheimnis über das Sternentrapez offenbart hatte.
Bastian erinnerte sich an die Zeichen, die der armen Elisabeth in die Kopfhaut geritzt wurden. Es war en eine „1“ und eine „6“ und der Buchstabe „K“. Dies waren auch genau die ersten drei Zeichen, die der Mörder in die Holztür des Juddeturms eingeritzt hatte. Der alte Hellseher hatte ihm zwar den Zusammenhang zwischen den Zahlen „6-7-8-9“ aufzeigen können, jedoch keinerlei Verbindung zu dem Buchstaben „K“. Das gleiche galt für die Ziffer „1“. Im Sternentrapez kamen weder Buchstaben noch die „1“ vor. Nein, so richtig schlau wurde er aus diesen ganzen Zeichen nicht. Aber Bastian nahm sich vor, direkt in der nächsten Nacht auf jeden einzelnen der Zonser Türme zu steigen und in den Sternenhimmel zu blicken. Außerdem würde er sich einen genauen Stadtplan von Zons besorgen und die Wachen würden ebenfalls verstärkt werden. Mit diesen Gedanken im Kopf ritt er schnurstracks zurück nach Zons.
...
Ihre Augen blickten hinauf zum Mond. Es war Vollmond. Eigentlich war er wunderschön anzusehen, mit dieser satten, gelben Farbe und den kleinen, dunklen Flecken, die sich zu einem lächelnden Gesicht formten, sobald man die Augen nur lange genug darauf fixierte. Doch Gertrud konnte die Schönheit dieser hellen und winterklaren Nacht nicht wahrnehmen. Ihre Körperhülle war mittlerweile fast so eiskalt wie das dunkle Rheinwasser, welches an ihrem Körper bis hin zu ihrer Kehle in kleinen regelmäßigen Abständen hoch schwappte. Schmatzend eroberte sich der Rhein mit jeder neuen Welle ein Stückchen mehr von ihrem Körper. Ein paar Mal schon hatte sie sich verschluckt, weil eine Welle ihren Mund erreichte und sie den Kopf nicht nach oben drehen konnte.
Sie wusste schon in dem Moment, als er sie überwältigte, dass es dieser Dietrich Hellenbroich sein musste. Er war Stadtgespräch in den letzten Wochen gewesen und hatte vor einem Monat Elisabeth Kreuzer geschändet und ermordet. Alle glaubten, dass er längst auf Nimmerwiedersehen aus Zons verschwunden war, auch sie selbst. Außerdem wohnte sie am anderen Ende der Stadt,
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