Der Q-Faktor
ein.
„Ja, Tomaso?“
„Es schwebt noch die Anklage gegen Anne-Charlotte. Sie scheint sich ihrer Lage nicht bewußt.“
„Das haben wir in dem ganzen Durcheinander tatsächlich vergessen“, gab Patrick zu. „Verdammt und noch einmal verdammt! Siehst du nicht ein, daß es dir kein bißchen nützen würde, wenn wir alle deine Pläne gutheißen und dir bei der Ausführung helfen würden? Mein armer Liebling, du bist des Hochverrats angeklagt, und es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis sie die Födroboter nach dir ausschicken, um dich zur Gerichtsverhandlung zum Galakzentrum zu bringen. Wenn du dann das Baby bei dir hast, werden sie es einfach wieder in die Krippe zurückschaffen, und das bedeutet für das Kleine eine zweite Trennung von dir und eine Wiederholung des ganzen schrecklichen Kummers. Begreif das doch bitte!“
„Patrick?“
Die leise Stimme eines kleinen Mädchens, das neben Sallys Füßen kauerte, unterbrach seinen Redeschwall. „Was’ ist denn, Liebes?“
„Ich möchte etwas wissen.“
„Was denn?“
„Ich will wissen, was mit Anne-Charlotte geschieht, wenn die Födroboter sie holen kommen. Ich will wissen, was sie mit Anne-Charlotte machen.“
Patrick zögerte, nicht aber Anne-Charlotte. Sie wandte sich zu dem kleinen Mädchen, Patricks jüngster Tochter, und erklärte ohne Umschweife.
„Was sie mit jemand machen, der des Hochverrats gegen die Menschheit angeklagt ist, Patricia? Das ist ganz einfach. Das Gehirn des Verräters wird vom Körper getrennt, vollkommen, und in einen Tank mit Nährlösung gesetzt, wo es am Leben erhalten wird, bis zu dem Zeitpunkt, wo die Menschheit dafür vielleicht Verwendung hat.“
„Nenn’ ihr ein Beispiel“, verlangte Jan.
„Das Gehirn von Markus Strake“, erzählte Anne-Charlotte, „der sich dadurch einen Markt für Rauschgifte schaffen wollte, daß er dem Trinkwasser eines Planeten Rauschgifte zusetzte. Sein Gehirn wurde fast vierzig Jahre in einer Nährlösung am Leben gehalten, dann wurde es in die Kontrolle des Entdeckungs-Raumschiffs ›Nachtwind‹ eingebaut, das bewohnbare Planeten in der dritten Galaxis ausfindig machen sollte. Dieser Aufgabe diente das Gehirn auf elf Expeditionen, ehe es verrückt wurde und starb; und so galt der Name von Markus Strake als rehabilitiert.“
„Und der Leib?“ forschte das Kind mit runden Augen weiter.
„Der Leib wird verbrannt“, beschied Anne-Charlotte sie brutal.
„Mit Feuer?“
„Mit Starkstromstößen.“
„Wie, wenn jemand stirbt“, sagte Patricia mit bebender Stimme.
„Ja, wie, wenn jemand stirbt. Genau so.“
Patricia dachte nicht mehr an die Sitte des Beisammenseins, sondern rannte zu ihrem Vater und protestierte schluchzend, daß das nicht mit Anne-Charlotte geschehen dürfe, daß sie etwas tun müßten, um es zu verhindern. Patrick schalt sie nicht und ließ sie auch nicht von Sally wegführen. Er drückte das Kind an sich und streichelte über sein feines, blondes Haar, während er sich an die Versammlung wandte:
„Das Kind steht mit seiner Meinung nicht allein da. Niemand will zulassen, daß Anne-Charlotte ein solches Schicksal widerfährt. Niemand von uns hat das Empfinden, daß die Wasservergiftung, um einen ganzen Planeten rauschgiftsüchtig zu machen, auf der gleichen Stufe steht wie ihre Irrungen. Aber ich glaube nicht, daß wir uns deshalb Sorgen machen müssen, denn sie wird sicher nicht verurteilt. Ich denke,“ und dabei brach seine Stimme, „und das können wir mit eigenen Augen erkennen ohne die Diagnose eines Arztes, daß Anne-Charlotte völlig und absolut verrückt ist. Und die Geisteskranken werden für ihre Taten nicht zur Verantwortung gezogen.“
Während er das sagte, verschwand Anne-Charlotte ohne ein Wort und ohne einen Laut.
VII
Die Sonne, die durch die hohen Fenster in Tzanas Zimmer fiel, schien durch ein faustgroßes Prisma an der Zimmerdecke, das das Licht in eine siebenfache Gloriole spaltete und Tzana in ein regenbogenschillerndes Geschöpf verwandelte. Kojote lag zufrieden neben ihr und fuhr mit dem Finger die Spektralfarben nach, über die Schenkel und die leichte Wölbung ihres Bauchs bis zur Kuppe ihrer Brust, und wieder hinab. Ruhig genoß sie seine zarte Berührung und beobachtete ihn aus halbgeschlossenen Augen.
„Tzana?“
„Ja, Liebster?“
„Weißt du, wie bezaubernd dein Anblick so ist?“
„Erfüllt, wie damals die glücklichen Kühe?“
„Nein. Ruhig, meine ich. Ruhig, entspannt, liebevoll. Gar nicht wie eine
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