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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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trug einen eleganten, anthrazitfarbenen Hosenanzug. Am Jackenaufschlag prangte ihre große Women’s Lib-Plakette.
    Rabbi Small war sowohl über die Frage als auch über den Ton erschüttert, in dem sie gestellt worden war. Es war nicht nur ein sarkastischer, es war ein offen feindseliger Ton. Langsam schüttelte er den Kopf.
    «Nein, Mrs. Mandell. So ist es nicht, ganz und gar nicht», sagte er ernst. «Passen Sie auf, Sie wissen doch, was eine Sünde ist. Also, was ist das Gegenteil? Was ist das Antonym für Sünde?»
    «Tugend?», fragte Mrs. Froelich.
    «Eine gute Tat», meinte Mrs. Allen.
    Der Rabbi nickte. «Auf Englisch ist es beides, auf Hebräisch aber haben wir ein einziges, spezifisches Wort dafür. Das Wort ist mitzwe und bedeutet Gebot. Wenn wir das tun, was uns geboten worden ist, dann ist das eine mitzwe . Wichtig ist dabei, dass ein Gebot sich zumeist auf etwas bezieht, was man normalerweise von selbst nicht tut. Wir tun es, weil es uns geboten wird. Der Grund für einige dieser Gebote ist klar. Das Gebot, den Sabbat als einen Ruhetag zu heiligen, können wir leicht verstehen, ein Ruhetag pro Woche, das ist vernünftig. Den würde man auch ohne Gebot einhalten. Doch dieses Gebot auch auf unsere Dienstboten auszudehnen, dazu wären wir nicht so willig bereit. Daher also das Gebot. Das Gebot dagegen, was das Vermischen von Leinen und Wolle bei der Bekleidung untersagt, schatnes , ist schwerer zu verstehen, doch fromme Juden befolgen es, obwohl sie keinen Grund dafür sehen. Weil es uns so geboten wird.»
    Er hielt inne, sah eine nach der anderen an und fuhr dann fort: «Wichtig ist auch, nicht zu vergessen, dass wir zwar befolgen müssen, was uns geboten wird, dass wir aber keine Extrapluspunkte für das bekommen, was nicht geboten ist. Das Gebot lautet, dreimal am Tag zu beten, doch wenn wir die Gebete sechsmal am Tag sprechen, liegt darin kein besonderes Verdienst. Beim Christentum ist das anders. Da schreibt der Priester vielleicht ein Dutzend Ave Marias als Buße vor. Es gibt auch Mönchs- und Nonnenorden, die gelobt haben, den ganzen Tag zu beten. Während ein frommer Christ einen beträchtlichen Teil seiner Zeit im Gebet verbringen soll, ist es bei uns ganz anders. Mit Studien, ja, aber nicht mit Gebeten. Vergessen Sie das nicht. Es ist wichtig. Wenn Sie den Segen über den Wein oder das Brot sprechen und dann keinen Wein trinken und kein Stück Brot essen, ist das keine mitzwe , sondern das Gegenteil. Das klassische Beispiel ist das von dem Mann, der weit entfernt von seinem Haus ist, die Sirene der Feuerwehr hört und betet, es möge nicht sein Haus sein, das brennt. Ein solches Gebet gilt aus zwei Gründen als sündhaft: weil es den Wunsch beinhaltet, das Haus eines anderen möge brennen, und weil man um etwas Unmögliches bittet, dass nämlich etwas nicht geschieht, was bereits geschehen ist. Verstehen Sie das?» Durch seine dicken Brillengläser musterte er sie aufmerksam.
    «Sie meinen», begann Mrs. Froelich unsicher, während sie bemüht war, ihre Gedanken in Worte zu fassen, «dass … Also, den ersten Grund verstehe ich, aber …»
    «Ich will versuchen, mich etwas klarer auszudrücken», sagte der Rabbi. «Ich habe einen Verwandten, meinen Vetter Simcha. Simcha, der Apicorus, nennen wir ihn in der Familie. Ein Apicorus ist ein Agnostiker, nach Epicurus, dem griechischen Philosophen, und einer fehlerhaften Auslegung seiner Doktrin. Obwohl Simcha in der Tat ein frommer und praktizierender Jude ist, hegt er eine merkwürdige Auffassung von einigen Geboten. Für ihn ist Huhn zum Beispiel kein Fleisch im Sinne der Speiseregeln. Er behauptet, da wir in übergenauer Befolgung des Gebotes ‹Ihr sollt das Fleisch des Zickleins nicht in der Milch der Mutter zubereiten› Milchprodukte nicht mit Fleischprodukten mischen, treffe das auf die Hühner nicht zu, da diese keine Milch geben.»
    «He, das ist schlau», sagte Mrs. Allen bewundernd.
    Der Rabbi lächelte. «Er weigerte sich auch, eine mesusa an seinem Türrahmen zu befestigen, mit der Begründung, das Gebot laute, man solle sie ‹an die Türpfosten eures Hauses› schreiben, und er behauptete, dies sei nicht sein Haus, es sei nur gemietet. Also, ich versichere Ihnen, das ist pilpul , Haarspalterei, und außerdem ziemlich extrem, aber es vermittelt ihnen wohl die grundlegende Idee, dass ein Gebot eine Verpflichtung ist – nicht unbedingt eine willkommene –, die man befolgt, weil sie uns geboten wird. Im gleichen Sinne hat ein berühmter

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