Der Rabbi schoss am Donnerstag
Rabbi einmal gesagt, man solle von den Speisen, die uns verboten sind – Schweinefleisch, Schalentieren und den anderen –, nicht sagen, dass wir sie nicht essen, weil sie widerlich und unbekömmlich sind, sondern vielmehr, dass sie sehr wohlschmeckend, ja köstlich sind, dass wir sie aber nicht essen, weil ein Gebot es uns verbietet. Haben Sie das begriffen? Also Frauen sind von jenen Geboten befreit, die zu einer bestimmten Zeit befolgt werden müssen, zum Beispiel von der Teilnahme am minjen für die Morgen- und Abendandacht.»
«Aber warum sind wir von diesen Geboten befreit?», wollte Mrs. Froelich wissen.
«Weil die Befolgung dieser Gebote sie an der weit wichtigeren Arbeit für Haus und Familie hindern würde.»
«Selbstverständlich!», sagte Molly Mandell sarkastisch. «Wir sollen möglichst viel Arbeit aufgehalst kriegen.»
«Nein.» Der Rabbi schüttelte den Kopf. «Nein, Mrs. Mandell. Sondern weil bei uns die Synagoge oder, wie wir sagen, der Tempel nicht der Mittelpunkt der Religionsausübung ist, sondern das Heim. Dort wird der Sabbat gefeiert, dort wird das Passahfest zelebriert, die wichtigste liturgische Zeremonie unserer Religion, dort wird der Succah gebaut. Andererseits, Mrs. Mandell, kann ich mir gut vorstellen, dass ein Ehemann, übereifrig darauf bedacht, den Kaddisch für einen toten Vater zu beten, darauf besteht, dass ihn seine Frau zum minjen begleitet, damit die notwendigen zehn Betenden beisammen sind, selbst wenn das bedeutet, dass sie es versäumt, das Frühstück für die Kinder zuzubereiten.»
Mrs. Froelich nickte heftig. «Als Harveys Vater starb, ist er jeden Tag losgezogen, morgens und abends, um den Kaddisch zu beten – ein ganzes Jahr lang. Vorher ist er nie zum täglichen minjen gegangen, und später auch nicht mehr. Aber in jenem Jahr, da war er wirklich fromm. Und wissen Sie was? Er hat seinem Vater nicht mal nahe gestanden. Sie konnten sich nie richtig vertragen.»
«Sicher hatte er ein schlechtes Gewissen», meinte Mrs. Allen.
«Wie Sie es schildern, Rabbi», sagte Molly Mandell, «ist die ganze jüdische Religion praktisch nur darauf bedacht, den Frauen das Leben zu erleichtern. Es klingt sehr schön, aber es ist einfach lächerlich. Denn die täglichen Gebete, die Sie sprechen, fangen stets damit an, dass Sie sich bei Gott dafür bedanken, dass Sie als Mann geboren sind.»
Die anderen waren schockiert über ihre Heftigkeit und beobachteten den Rabbi, weil sie sehen wollten, wie er reagierte. Er war errötet, brachte aber ein Lächeln zustande. «Ich wüsste nicht, warum Sie dagegen Einwände haben sollten, denn schließlich stimmt diese Passage doch hundertprozentig mit der Einstellung Ihrer Frauenbewegung überein.»
«Wie bitte?»
«Nun ja, Ihre Women’s Lib-Bewegung behauptet, dass der Mann ein leichteres Leben hat als die Frau, nicht wahr?», fragte er.
«Ja, sicher. Aber …»
«Warum sollten wir dann aber Gott nicht dafür danken? Und ist es so unrecht, wenn die Männer versuchen, diesen Unterschied ein bisschen auszugleichen, indem sie den Frauen Sonderprivilegien einräumen?».
8
Laura Maltzman war keine hübsche Frau; ja, sie war sogar recht unansehnlich. Sie war groß und eckig, mit breiten Schultern. Sie hatte ein langes Gesicht mit eckigem Kinn, das ein wenig schief zu stehen schien, als hätte sie einen Kinnhaken eingesteckt oder wolle gerade den Kopf drehen. Doch ihre Augen waren groß, freundlich und verständnisvoll. Als ihr Mann, der sich zufrieden die Hände rieb, aus dem Flur, wo er telefoniert hatte, ins Wohnzimmer kam, blickte sie ihm fragend entgegen.
«Gerade habe ich Nachricht bekommen», verkündete er. «Es klappt mit dem Darlehen. Jedenfalls so gut wie sicher.»
«Ach ja? Wer hat angerufen?»
«Molly Mandell. Sie hat mit Gore gesprochen und glaubt, er wird einverstanden sein. Und fand, das müsste sie mir mitteilen.» Er ging im Zimmer auf und ab, bis er vor ihr stehen blieb. «Hör mal, dieses Dinner, das du geben willst – sollten wir nicht die Mandells anrufen und sie ebenfalls einladen?»
«Aber die sind so viel jünger als die anderen», wandte sie ein.
«Na und? Ich möchte ihr – ihnen – zeigen, wie dankbar ich bin.»
«Du hast Herb Mandell letzte Woche in den Vorstand geholt.»
«Ja, aber er arbeitet aktiv in der Bruderschaft, deswegen denken sie vielleicht, das wäre der Grund. Nein, ich möchte ihr meinen Dank erweisen. Verstehst du? Sie hat großen Einfluss in der Bank. Und sie ist immer freundlich zu mir,
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