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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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aber falls er mich gehört haben sollte, hat er nichts gesagt. Dann, ehe ich zu Bett ging, hörte ich, wie er den Schlüssel rumdrehte. Das bedeutete, er wusste, dass ich weggewesen war. Und am nächsten Morgen tat er, als wäre nichts passiert. Und von da an war es immer so.» Er lachte. «Einmal schloss er mich drei Tage lang ein, und jeden Tag kletterte ich zum Fenster hinaus und ging zur Bank. Eines Tages kam er sogar in die Bank und sah mich natürlich, aber er tat, als wäre ich nicht da.» Abermals lachte er fröhlich auf. «Das war wirklich komisch. Ich kam von der Bank nach Hause, und da stand mein Essen in meinem Zimmer. Wissen Sie, es war wie ein Spiel zwischen uns. Ich dachte mir, schlagen darf er dich nicht und mein Taschengeld zurückbehalten auch nicht und so. Und mich anzuschreien traute er sich nicht, wohl wegen seinem schwachen Herzen, oder weil das vielleicht zu einem richtigen Krach geführt hätte, bei dem wir dann Dinge gesagt hätten, die … na ja, die wir hinterher bereuen würden.»
    «Wenn es ein Spiel war, warum sind Sie dann nach New York ausgerissen?», erkundigte sich der Rabbi neugierig.
    Der junge Mann wurde ernst. «Das war was anderes. Das war in Gegenwart von Mr. Gore. Der wusste, dass ich aus dem Fenster steigen würde, weil ich es ihm erzählt hatte. Als guten Witz. Aber das direkt vor seinen Augen zu tun … Ich dachte, ich könnte ihm nie wieder ins Gesicht sehen. Begreifen Sie das?»
    «Ich glaube schon. Sagen Sie, haben Sie Ihre Mutter informiert, über … über das, was geschehen ist?»
    Der junge Mann schüttelte den Kopf.
    «Meinen Sie nicht, dass Sie das tun sollten, da er doch ein alter Freund der Familie war?»
    «Wozu? Dann glaubt sie nur, sie müsste herkommen und sich um mich kümmern. Aber mir geht’s gut. Und sie hat einen Riesenerfolg da drüben, also warum alles abblasen?»
    Der Rabbi nickte. Er sprang vom Geländer und sagte: «Ich muss jetzt gehen, aber wenn Sie wieder in der Stadt sind, würde ich mich freuen, wenn Sie mich mal besuchten.»
    «Sicher, warum nicht? Aus einem besonderen Grund?»
    «N-nein, aber falls Sie mal Hilfe brauchen …»
    «Was für Hilfe?»
    Der Rabbi lächelte. «Irgendeine Hilfe.»

38
    An jedem Mittwochabend hielt der Magistrat seine Sitzung ab, und der Rabbi hatte sich den Tag im Kalender notiert. Kurz nach dem Dinner rief er Lanigan auf dem Revier an, um ihn zu fragen, ob er teilnehmen werde.
    «Man erwartet von mir, dass ich an allen Magistratssitzungen teilnehme, und wenn nichts besonderes vorliegt, gehe ich auch gewöhnlich hin. Sie machen sich Sorgen wegen der Verkehrsampeln, wie? Dann kommen Sie doch mal kurz herüber, damit wir unser Vorgehen abstimmen können.»
    «Ich komme sofort.»
    «Wie sieht’s aus?», erkundigte sich der Rabbi, als er fünfzehn Minuten später in Lanigans Büro saß.
    «Ich habe nachgedacht, nachdem Sie anriefen», berichtete Lanigan. «Diese Magistratsmitglieder nehmen sehr viel Rücksicht aufeinander. Ich habe das schon ein paar Mal erlebt. Wenn einer um neuerliche Diskussion eines Antrags bittet, unterstützen ihn die anderen aus Höflichkeit. Wenn er seine Bitte dann wieder zurückzieht, unterstützen sie ihn dabei auch. Deswegen habe ich Albert Megrim angerufen. Ich dachte, vielleicht können wir ihn überreden, den Antrag, den er letzte Woche gestellt hat, zurückzuziehen.»
    «Und?»
    «Er war nicht da. Ich habe mit seiner Frau gesprochen. Die sagt, er kommt am Mittwoch nie zum Dinner nach Hause. Er geht in den Agathon , isst dort und fährt dann gleich zur Sitzung. Also dachte ich, wir fahren am besten in den Agathon. »
    «Sie meinen, wir beide?»
    Lanigan musterte ihn fragend. «Gehen Sie nicht gern hin? Weil es bei mir nämlich genauso ist. Die haben für Katholiken genauso wenig übrig wie für Juden.»
    «Nun ja, wir gehen schließlich dienstlich hin.»
    «Das habe ich mir auch gesagt», erwiderte Lanigan. «Ich bin gelegentlich mal zum Dinner dorthin eingeladen worden und habe jedes Mal unter einem Vorwand abgesagt. Doch wie Sie ganz richtig meinten, diesmal ist es rein dienstlich.»
    Unterwegs erklärte ihm Lanigan den Grund für seine Strategie. «Wenn wir der Sache ihren normalen Verlauf lassen, werden wir möglicherweise ohnehin gewinnen. Aber man kann nie wissen. Neulich abends hat Sturgis im Republican Club erklärt, wie wichtig es sei, dass die Stadt ihre Ausgaben niedrig halte. Er stimmt vielleicht dagegen, nur weil es Geld kostet und er das Gefühl hat, er müsste konsequent

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