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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ich so geboren bin. Der Agent von meiner Mutter, Sol Katz, der redet immer von ‹wir Juden›, darum habe ich meine Mutter gefragt, und sie hat mir erklärt, es gäbe zweierlei Juden – solche wie Sol, die an die jüdische Religion glauben, und solche wie uns, die nicht daran glauben, aber Juden sind, weil sie zufällig als Juden geboren wurden. In Wirklichkeit aber sind wir einfach Amerikaner. Das stimmt doch, nicht wahr?»
    «So kann man es auch sehen», gab der Rabbi zu. «War das auch Mr. Jordons Ansicht?»
    «Ach, darüber haben wir nie gesprochen.»
    «Nein? Worüber denn?»
    Der junge Mann lachte. «Meist über Geld. Er redete ständig von Aktien und Wertpapieren und wie man erkennt, ob man sie kaufen soll oder nicht, wissen Sie, aufgrund ihrer Bilanzen. Und Grundbesitz und Häuser und dass man kaufen soll, was im Wert steigen wird. Er war der Ansicht, Geld sei wichtig, weil man unabhängig ist, wenn man genug davon besitzt. Und wenn man unabhängig ist, kann man alles aussprechen, was einem in den Sinn kommt. Und wenn man alles aussprechen kann, kann man auch alles denken …»
    «Das war doch sicher umgekehrt, nicht wahr?»
    «Nein», versicherte Billy. «So hat er es gesagt. Wenn man weiß, man kann alles sagen, dann kann man auch denken, wie man will. Aber wenn man das Gefühl hat, nicht sagen zu können, was man will, dann neigt man dazu, gewisse Dinge nicht zu denken.»
    «Ich verstehe. Und Sie mochten ihn?»
    «Na klar mochte ich ihn. Und er mochte mich, glaube ich, auch. Natürlich hat er das nie gesagt, weil … na ja, so was sagte er einem eben nicht ins Gesicht.» Nachdenklich legte er den Kopf auf die Seite. «Er war schon komisch. Manchmal wirkte er richtig gemein, aber sicher konnte man es nicht sagen. Zum Beispiel sagte er manchmal richtig böse Dinge zu Martha, und sie schimpfte zurück. Und er lachte bloß. Später erklärte er mir dann, das täte er, damit sie wüsste, dass sie zur Familie gehört und nicht nur Dienstbote sei. Verstehen Sie?»
    «Ich glaube schon.»
    «In manchem war er ja ziemlich eigen», fuhr der junge Mann fort. «Mit der Zeit, zum Beispiel, weil nämlich, wie er sagte, jeder Mensch nur so und so viel davon hat, und mehr nicht. Im Wohnzimmer auf dem Kaminsims stand eine Uhr, und die stellte er jeden Tag nach dem Radio. Und wenn ich, sagen wir, zu spät zum Essen kam, und wenn’s auch bloß ein paar Minuten waren, funkelte er mich wütend an und zeigte schweigend auf die Uhr. Man merkte genau, wie zornig er war.
    Und Geld. Bis auf den letzten Penny. Zum Beispiel, wenn Martha einkaufen ging, dann gab er ihr Geld, und am Ende der Woche gab sie ihm die Kassenzettel vom Supermarkt und den anderen Läden und das restliche Geld. Und wenn es zu wenig war, auch nur um drei Cent, dann sagte er es ihr und ließ es sich von ihr geben. Und einmal, da war’s anders herum, und er hatte gerade kein Kleingeld bei sich. Sie sagte, es sei schon gut, aber da wurde er böse. ‹Es ist nicht gut›, behauptete er, ging ins Schlafzimmer, suchte in seiner Kommodenschublade und holte das passende Kleingeld heraus.»
    «Wie hat er Sie genannt?», fragte der Rabbi.
    «Meistens Billy. Aber manchmal, wenn er sich ein bisschen über mich geärgert hatte, nannte er mich Sir.»
    «Und wenn er sich sehr über Sie geärgert hatte?», fragte der Rabbi lächelnd.
    «Dann sprach er überhaupt nicht mit mir», antwortete der junge Mann prompt. «Und wenn er wirklich wütend wurde, schickte er mich auf mein Zimmer. Und wenn er an die Decke ging, wie … wie neulich abends, dann schloss er mich ein.»
    «Und wie haben Sie darauf reagiert?»
    «Na ja, als es zum ersten Mal passierte, das war, weil ich meiner Mutter nicht geschrieben hatte, und er hatte ihr versprochen, dass er dafür sorgen würde, dass ich schrieb. Er wurde ganz rot im Gesicht und regte sich so furchtbar auf, dass ich Angst hatte, er kriegt einen Herzanfall. Er hatte nämlich ein schwaches Herz. Deswegen bin ich brav in mein Zimmer gegangen. Aber innerlich war ich ziemlich sauer darüber, dass er mich wie ein Kind behandelte. Deswegen dachte ich, ach was, zum Teufel … Oh, bitte entschuldigen Sie!»
    «Schon gut», wehrte der Rabbi ab. «Solche Ausdrücke benutzen doch heutzutage alle.»
    «Na ja, ich dachte, warum soll ich hier bleiben. Also schob ich das Fenster hoch und riss aus. Sehen Sie, ich hatte Mr. Gore versprochen, ihm bei seinem Silber zu helfen, und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Zurückgekommen bin ich auf demselben Weg,

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