Der Rabbi schoss am Donnerstag
die Lippen und überlegte. Schließlich sagte er: «Nun gut. Ich will nur meiner Frau eine Nachricht hinterlassen, damit sie weiß, wo ich bin.» Er ging in die Küche. Als der Lieutenant ihm folgte, sagte er: «Keine Angst, ich reiße nicht durch die Hintertür aus.» Mit einer Heftzwecke befestigte er den Zettel an dem Anschlagbrett und langte nach dem Telefon auf dem Regal darunter. «Ich muss telefonieren.»
«Wollen Sie Ihren Anwalt anrufen?», erkundigte sich Jennings höflich.
Maltzman lächelte verkniffen. «Noch nicht.» Er wählte Barry Fishers Nummer. «Barry? Hank. Hör mal, mir ist was dazwischen gekommen, deswegen kann ich heute nicht zur Sitzung kommen … Ich weiß, ich weiß. Macht ihr es nur ohne mich, und zwar genau, wie verabredet … Hör mal, Barry, wir haben acht sichere Stimmen. Wenn du den Vorsitz übernimmst, haben wir immer noch sieben. Sieben zu sechs ist genauso gut wie acht zu sechs … Ja … Ja … Wiederhören.»
Er wandte sich zu Jennings um. «Okay», sagte er, «gehen wir.»
Sie hatten das Sonntagsdinner beendet, und Miriam hatte die Kinder nach oben gescheucht, wo sie fernsehen konnten, ohne ihren Daddy zu stören, der lesen wollte. Als es klingelte und sie Chief Lanigan sah, fragte sie mit spitzbübischem Lächeln: «Na, Chief – waren Sie wieder mal zufällig in unserer Gegend? David – es ist Chief Lanigan!»
«Nein, Miriam», antwortete Lanigan ernst. «Diesmal hatte ich den Besuch geplant.» Und er erklärte ihr den Grund.
«Glauben Sie wirklich, dass Maltzman ihn erschossen hat?», fragte der Rabbi.
Lanigan wand sich ein bisschen. «Ich kann nicht sagen, ob er es war oder nicht. Das müssen Richter und Geschworene entscheiden. Ich leite lediglich die Ermittlungen.»
«Dann verdächtigen Sie ihn ernsthaft?»
«Was soll das heißen? Ob ich ihn für einen geborenen Killer halte? Natürlich nicht. Aber wer von den Beteiligten ist das schon? Ich weiß nur, dass er Jordon am selben Tag bedroht hat. Er hat gesagt, er würde ihm eine Kugel durch den Kopf jagen. Und genauso ist Jordon gestorben. Das genügt für uns, um aktiv zu werden. Aber ich habe ihn mir nicht gleich geschnappt, weil ich dachte, er wäre zum Zeitpunkt des Mordes in der Synagoge gewesen. Dann stellte sich heraus, dass er nicht dort war. Und damit war er dringend verdächtig. Als wir ihn dann fragten, wo er an jenem Abend gewesen sei, antwortete er, das gehe uns nichts an. Tja, morgen muss ich Clegg Bericht erstatten, und wenn ich ihm sage, dass ich von Maltzman keine Erklärung verlangt habe, weil er gesagt hat, das ginge uns nichts an, würde er denken, ich sei unfähig, und dann würde er gegen ihn Anklage erheben.»
«Dann verhaften Sie ihn also, damit er redet?»
«Genau.» Er sah auf seine Armbanduhr. «In diesem Augenblick, würde ich sagen.»
«Und wenn er nichts sagt?»
«Stecke ich ihn über Nacht in eine Zelle», antwortete Lanigan prompt. «Und am nächsten Vormittag spreche ich mit Clegg, und wenn ich mich nicht sehr irre, wird der ihn vor den nächsten Richter schleppen und Anklage erheben. Und dann eine Presseerklärung abgeben. Und da es ein Mordfall ist, kommt eine Kaution nicht in Frage, und er wird hinter Gittern bleiben. Tut mir Leid, David, aber so ist es nun mal.»
Der Rabbi nickte.
«Tut mir wirklich Leid.»
«Vielen Dank, dass Sie es mir gesagt haben.»
46
Falls Mrs. Mandell gehofft hatte, ihr Sohn werde seine Frau bei ihrer Rückkehr zur Rede stellen, so wurde sie enttäuscht. Als Molly das Haus betrat, rief sie laut: «Hallo, Mutter! Alles gut gegangen mit dem Dinner?», gab ihrem Mann einen liebevollen Kuss und lief die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. «Ich muss mich umziehen», sagte sie dabei. «Ich hab einer Bekannten versprochen, ihr bei ihrem Bridge zu helfen.»
Wenige Minuten später erschien sie wieder. Sie hatte das Kleid, das sie in Boston getragen hatte, gegen Hose und Pullover vertauscht, bequeme Kleidung, die sie für Barnard’s Crossing passender fand.
«Welcher Bekannten?», fragte Herb, als sie zur Tür eilte.
«Ach, kennst du nicht», antwortete sie vage. «Eines von den Mädchen im Büro.»
Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, da stand er auf, reckte sich träge und verkündete: «Na, dann gehe ich wohl besser auch. Macht es dir was aus, allein zu bleiben, Ma?»
«Nein. Aber wozu die Eile? Du hast noch viel Zeit.»
Er hatte tatsächlich noch eine halbe Stunde Zeit, aber die wollte er im Moment nicht unbedingt mit seiner Mutter
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