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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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denn?»
    «Nun, bei den anderen ging es vor allem um die Gehaltsfragen. Bei diesem aber handelt es sich nicht so sehr um das Gehalt des Rabbi, da er ja einen festen Vertrag hat, der in jedem Jahr verlängert wird. Ich meine, sein Gehalt liegt bis auf die Lebenskostensteigerung fest, deswegen können wir darüber nicht diskutieren. Nein, die eigentliche Frage ist die Verlängerung.»
    «Da haben Sie Recht, Herb», bestätigte Cy Morgenstern. «Also, was schlagen Sie vor?»
    «Nun, ich finde, wir sollten über diesen Punkt geheim abstimmen. Ich meine, falls jemand gegen den Rabbi stimmen will, müsste er das tun können, ohne zu fürchten, dass der Rabbi davon erfährt und dann möglicherweise böse auf ihn ist.»
    Der Vorsitzende strich sich nachdenklich das Kinn. «Das klingt vernünftig», sagte er dann. «Also gut, wir werden geheim abstimmen.» Und zur Sekretärin sagte er: «Gladys, verteilen Sie doch bitte etwas Papier. Wir stimmen mit Ja oder Nein. Wer für die Verlängerung des Vertrages ist, schreibt Ja, wer dagegen ist, schreibt Nein. Alles verstanden?»
    Die Sekretärin riss mehrere Seiten aus ihrem Notizbuch, faltete sie und riss sie zu Vierteln, die sie rund um den Tisch verteilte.
    «Können Sie’s denn auch wirklich entbehren?», fragte Pollock, der Witzbold.
    «Für Ja oder Nein ist es groß genug», sagte Mrs. Melnick, die typische Lehrerin. Und dann, mit zuckenden Lippen: «Hoffentlich können Sie’s richtig schreiben.»
    «Falls nicht, geben Sie mir dann Nachhilfestunden?» Hämisch grinste er sie an.
    Einige beschrieben ihre Stimmzettel in aller Offenheit, die meisten jedoch kritzelten hinter der vorgehaltenen Hand. Die Ersteren falteten ihre Stimmzettel nur einmal und warfen sie nachlässig auf den Tisch, damit sie weitergereicht wurden. Die Vorsichtigeren falteten sie mindestens zweimal und reichten sie persönlich der Sekretärin, ja standen sogar auf und gingen zu ihr hinüber, um sie ihr in die Hand zu drücken.
    Während Herb darauf wartete, dass sein Nachbar fertig wurde, damit er sich dessen Bleistift ausleihen konnte, wurde er von Zweifeln heimgesucht. Er hatte nichts gegen den Rabbi. Er tat dies nur, weil Molly und Maltzman es so wollten. Molly und Maltzman. Molly, die sich davonschlich, obwohl sie bei seiner Mutter bleiben sollte, und Maltzman, der zu spät zum Gottesdienst kam. Molly und Maltzman, die ihre Köpfe zusammensteckten und an ihren Listen arbeiteten. Molly, die einer Bekannten bei ihrer Bridgepartie half – «Kennst du nicht» –, und Maltzman, der anrief, er könne nicht an der Sitzung teilnehmen. Sein Nachbar reichte ihm den Bleistift. Herb zögerte einen Moment; dann schrieb er Ja.
    Die Sekretärin wartete, bis alle Stimmzettel abgegeben waren. Dann begann sie sie zu entfalten und teilte sie in zwei Häufchen. Erst zählte sie das eine, dann das andere. Und verkündete: «Dreizehn Stimmen insgesamt. Sieben Ja, sechs Nein. Die Ja-Stimmen haben gewonnen.»

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    «Was machen wir jetzt?», fragte Miriam tragischen Tones, als Lanigan fort war.
    Der Rabbi schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht, ob wir überhaupt etwas tun können. Das kommt auf Maltzman an, und wenn der …»
    «Ach was, Maltzman ist mir egal. Ich dachte vielmehr an die Gemeinde, und wie die Stadt wohl reagieren wird.»
    «Du meinst, wie die Stadt auf die Gemeinde reagieren wird? Glaube mir, Miriam, es wird überhaupt keine Reaktion geben. Die Leute denken heute nicht mehr so. Sie glauben nicht mehr, dass die Taten einzelner die Einstellung der Gruppe spiegeln, der sie angehören. Falls es eine Pressemeldung gibt, wird vermutlich auf die Tatsache hingewiesen, dass er ein prominentes Mitglied der Gemeinde ist, und damit meine ich die Stadt Barnard’s Crossing und nicht die jüdische Gemeinde. Man wird erwähnen, dass er der Vorsitzende der Synagoge, Präsident der Handelskammer und ein großes Tier im Veteranenbund ist. Ein Prominenter eben. Das ist alles.»
    «Ja, aber auch um seiner selbst willen – meinst du nicht, du solltest versuchen, ihm zu helfen?»
    «Was kann ich denn schon tun?»
    «Also, David, ich weiß nicht, was in letzter Zeit in dich gefahren ist!», brauste sie auf. «Du bist so gleichgültig geworden. Es sieht so aus, als würde der Vorstand deinen Vertrag diesmal nicht verlängern, aber was tust du? Du kämpfst nicht darum, sondern sagst, du willst es Gott überlassen. Und jetzt, wo der Vorsitzende der Gemeinde wegen Mord verhaftet worden ist, sagst du nur: ‹Was kann ich denn schon

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