Der Rabbi schoss am Donnerstag
verlangten, dass die letzten Argumente wiederholt wurden.
«Okay, jetzt also die Gehälter. Möchten Sie dazu etwas sagen, Doris?»
«Allerdings.» Doris Melnick war Vorsitzende des Schulausschusses. «Als Mike mich nach den Gehältern der einzelnen Lehrer fragte, antwortete ich ihm, die könne ich ihm nicht nennen, ich könne ihm nur die Gesamtsumme aller Gehälter des Lehrkörpers geben. Den Grund dafür möchte ich jetzt erklären. Unser Schulausschuss bespricht mit jedem Lehrer sein Gehalt – streng vertraulich. Das haben wir von Anfang an so gehalten, und es hat sich als richtig erwiesen. Kein Lehrer weiß, wie viel der andere bekommt, solange dieser es ihm nicht sagt. So können wir dem besseren Lehrer, falls notwendig, ein bisschen mehr geben, ohne dass Neid und Eifersucht aufkommen …»
Sie diskutierten natürlich darüber, weil sie über jeden Punkt der Tagesordnung diskutierten; zum Schluss aber bekam Mrs. Melnick ihren Willen, und sie stimmten über die Gesamtsumme ab.
Da das Gehalt des Kantors vertraglich festgelegt war, sollte man meinen, in diesem Punkt sei eine Diskussion unnötig gewesen. Dennoch wurde die Frage gestellt, ob nicht der Kantor die Honorare, die er für seine Dienste bei Beerdigungen und Hochzeiten und vor allem für die Vorbereitung der Jungen auf den gesanglichen Teil der Bar Mitzwa-Zeremonie bekam, abgeben solle, da dies schließlich zu den normalen Pflichten seines Berufs zählte. Es war ein Problem, das jedes Jahr wieder aufgeworfen wurde, jedes Mal mit denselben Argumenten dafür und dagegen.
«Nehmen wir an, er muss ein besonders dummes Kind auf die Bar Mitzwa vorbereiten und braucht dafür außergewöhnlich viel Zeit, und der Vater des Jungen ist ihm dankbar und möchte ihm für seine Mühe ein paar Extra-Dollar geben …»
«Also, wenn ich Kantor wäre, dann wäre mir das unangenehm. Was ist denn schließlich so ein Honorar? Ein Trinkgeld, weiter nichts – oder?»
«Ja, aber was ist ein Trinkgeld? Ein Zeichen der Anerkennung, nicht wahr? Hat man einen guten Kellner, gibt man ihm ein gutes Trinkgeld. Hat man einen schlechten, gibt man ihm gar nichts oder nur das Minimum. Jedenfalls mache ich das so.»
«In vielen Restaurants werden die Trinkgelder zusammengelegt.»
«Ich möchte mal wissen, wie ihr das machen wollt. Wollt ihr etwa öffentlich verkünden, Honorare für den Kantor seien verboten? Oder wollt ihr, dass er sie einsteckt und dann dem Vorstand übergibt? Und woher wollt ihr wissen, ob er auch wirklich alles abgibt? Wollt ihr den Spender fragen, wie viel er ihm gegeben hat?»
Schließlich ließen sie alles so, wie es war, genau wie sie es in all den vorangegangenen Jahren getan hatten. Stanley Dobles Gehalt löste kaum Diskussionen aus. Aber es kamen einige – zumeist anekdotische – Dinge über ihn selbst zur Sprache.
«Wisst ihr noch, wie er am Freitagabend stockbesoffen war?»
«Und Freitag vor einer Woche, als die Bruderschaft den Gottesdienst veranstaltet hat – wie er überhaupt nicht gekommen ist?»
«Mir wäre es lieber, wenn er gar nicht käme, als wenn er betrunken ankäme.»
Der Vorschlag eines weiblichen Vorstandsmitglieds, man solle sich vielleicht nach einem anderen Hausmeister umsehen, der ein bisschen zuverlässiger wäre, wurde sofort vom Vorsitzenden selbst abgelehnt. «Nichts zu machen. Natürlich könnten wir eine Menge Hausmeister kriegen, die zuverlässiger sind, aber woher sollen wir einen nehmen, der das kann, was Stanley kann? Wenn irgendwo mal was kaputt ist – und das Haus ist jetzt so alt, dass ständig irgendetwas kaputt geht –, kann Stanley es gewöhnlich reparieren, ob’s nun die Installationen sind, die elektrischen Leitungen oder die Heizung. Er ist ein recht guter Tischler, verbringt fast den ganzen Sommer mit Streichen, Fugen abdichten und alles für den Winter in Ordnung bringen. Na schön, er flippt manchmal aus und trinkt zu viel, und man kann sich nicht immer auf ihn verlassen. Aber sehen wir’s doch mal so: Wenn er hundertprozentig zuverlässig und immer nüchtern wäre, würde er gar nicht bei uns als Hausmeister arbeiten. Ich finde, wir haben’s ganz gut mit ihm getroffen. Und wenn’s jetzt keine weiteren Diskussionen mehr über Stanley gibt, können wir zum letzten Punkt übergehen, zum Rabbi.»
Das war Herb Mandells Stichwort. Er hob die Hand, und als er das Wort erhielt, sagte er: «Herr Vorsitzender, mir scheint, dass dieser Punkt ein bisschen anders liegt als die übrigen.»
«Ach ja? Wieso
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