Der Rabbi
Kahners, woraus Michael ersah, daß jener seinen Namen vergessen hatte.
»Kind.«
»Natürlich - Kind. Mein lieber Rabbi Kind, darf ich Ihnen sagen: die Firma Hogan, Kahners & Cantwell hat schon die Kapitalien für den Bau von zweihundertdreiundsiebzig katholischen und protestantischen Kirchen beschafft, und für dreiundsiebzig Spitäler, und für hundertdreiundneunzig Synagogen und Tempel. Schauen Sie, es ist unser Geschäft, große Beträge zu beschaffen, und wir haben todsichere Methoden entwickelt, die den Erfolg garantieren. Und darum, Rabbi - äh -, also, ich glaube, Sie überlassen alles Weitere am besten mir.«
»Und wie kann ich Ihnen dabei behilflich sein, Mr. Kahners?« »Sie machen mir eine Liste von sechs Namen. Ich möchte mich mit den sechs Leuten zusammensetzen, die mir alles über Ihre Gemeindemitglieder erzählen können. Also, was jeder so im Jahr verdient, was er ist, wie alt er ist, wie er wohnt, wie viele und welche Wagen er hat, auf welche Schule er seine Kinder schickt, wohin er auf Urlaub fährt und so weiter. Und außerdem brauche ich noch eine Liste der hiesigen Spender für den United Jewish Appeal.«
Michael sah abermals auf die Geschäftskarte. »Werden auch Mr.
Hogan und Mr. Cantwell Sie in Ihrer Kampagne hier unterstützen?«
»John Hogan ist schon seit zwei Jahren tot. Seither bearbeitet ein Angestellter die katholische Sparte.« Kahners blickte an sich hinunter und bemerkte dabei einen Schmutzfleck auf seinem grauen Anzug sowie ein winziges Stück braunes Papier von den Pappkartons auf seiner Krawatte. Er schnipste das Papier weg und bearbeitete den Fleck mit dem Taschentuch, wodurch der Fleck nur noch größer wurde. »Und meinen protestantischen Partner brauche ich nicht. Es handelt sich doch nur um vierhunderttausend Dollar«, sagte er.
Der Vervielfältigungsapparat und die beiden Schreibmaschinen trafen schon am nächsten Morgen ein, und am Nachmittag desselben Tages saßen die beiden Sekretärinnen bereits hinter ihren Klapptischchen und tippten Namenslisten. Das Geklapper trieb Michael aus seinem Büro, und er machte sich auf seine Seelsorgegänge. Als er dann um fünf Uhr nachmittags den Tempel wieder betrat, lag dieser verlassen und in gähnender Stille. Papiere bedeckten den Boden, die Aschenbecher quollen über, und die Kaffeebecher hatten zwei häßliche Ringe auf seinem Mahagonischreibtisch hinterlassen.
Noch am selben Abend wohnte Michael der ersten Zusammenkunft des Finanzausschusses mit Kahners bei. Das Ganze glich freilich eher einer Unterweisung, wobei Kahners der Vortragende war. Seine Argumentation stützte sich vornehmlich auf die United Jewish Appeal-Spenderlisten der letzten fünf Jahre. »Schauen Sie sich das einmal an«, sagte er und warf die grüne UJA-Broschüre auf den Tisch.
»Schlagen Sie nach, wer jedes Jahr Ihr größter Spender gewesen ist.«
Keiner an dem langen Tisch mußte nachschlagen. »Das war Harold Elkins von den Elkhide-Strickereien«, sagte Michael. »Er gibt fünfzehntausend Dollar jährlich.«
»Und der zweitgrößte?« fragte Kahners.
Michael kniff die Augen zusammen, mußte aber das Buch nicht zu Rate ziehen.
»Phil Cohen und Ralph Plotkin. Jeder gibt siebentausendfünfhundert.«
»Gerade halb soviel wie Elkins«, sagte Kahners. »Und die nächstkleineren?«
Michael war nicht ganz sicher.
»Na schön, ich werd's Ihnen sagen: Da ist einmal ein gewisser Joseph Schwartz mit fünftausend. Das ist ein Drittel von Elkins' Beitrag.
Nun, meine Herrn -«, er machte eine Pause und blickte die Versammlung an. Es war, als würde Mr. Chips seine schwächste Klasse belehren. »Wir können daraus eine wichtige Lehre ziehen.
Schauen Sie sich zum Beispiel d a s da an! « Er warf ein zweites UJA-Büchlein auf den Tisch. »Das ist die Liste der Spenden, die vor sechs Jahren geleistet wurden. Wir ersehen daraus, daß damals Mr. Elkins anstatt fünfzehntausend nur zehntausend gegeben hat. Weiters sehen wir Phil Cohen und Ralph Plotkin mit nur fünftausend statt siebeneinhalbtausend verzeichnet.« Er blickte die Versammlung abermals bedeutsam an. »Merken Sie was?«
»Wollen Sie damit sagen, daß die Relation immer gleich bleibt und die Höhe der Spenden vom höchsten Spender bestimmt wird?« fragte Michael.
»Nicht immer«, erläuterte Kahners geduldig. »Ausnahmen gibt es immer, und die Relation geht natürlich nicht bis ans Ende der Liste.
Voraussagen hinsichtlich der ganz kleinen Spender sind fast unmöglich.
Aber als
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