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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Spielern zu.
    Dort ließ es sich ganz gut warten. Michael betrieb das vier Tage lang, und jedesmal, wenn er dort hinter der Kegelbahn saß, spielte ein fettes Weib mit riesigen Brüsten und breiten Hüften. Sie hob die schwere Kugel wie einen leichten Ball, und wenn sie geziert auf Zehenspitzen vorwärts schritt, zitterte und bebte alles an ihr, so daß Michael denken mußte, wie gut es doch für sie wäre, einige der Produkte seines Vaters zu tragen. Sie kaute dauernd und mit ausdruckslosem Gesicht an ihrem Kaugummi, nur wenn sie einen Wurf getan hatte und die Kugel donnernd durch die Bahn rollte, hörte sie damit auf, bis die Kegel gefallen waren. Dabei stand sie meistens auf einem Bein, hatte den Mund offen und sah aus wie eine Statue, die ein verrückter Bildhauer aus zu viel Ton geformt hatte. Es war interessant und lehrreich, sie zu beobachten, aber allmählich verließ ihn der Mut und außerdem verursachte ihr Körpergeruch ihm Übelkeit, wenn sie sich vor ihm auf die Bank setzte. Am fünften Tag ging er wieder in die Hebräische Schule, ausgerüstet mit einer gefälschten Entschuldigung von seiner Mutter, die besagte, er habe eine Magenverstimmung gehabt; die Symptome waren ihm bekannt, weil seine Schwester Ruthie jahraus, jahrein damit zu schaffen hatte.
    Der dauernde Druck blieb nicht ohne Wirkung. Michael wurde in zunehmendem Maß gespannt und nervös, und er verlor an Gewicht.
    Nachts wälzte er sich schlaflos in seinem Bett. Wenn er schlief, träumte er, daß Reb Chaim ihn schlug oder daß Stash, einen Meter größer als er in Wirklichkeit war, auf ihn wartete.
    Eines Nachmittags während des Hebräischunterrichts reichte ihm der hinter ihm sitzende Junge ein Blatt Papier über die Schulter.
    Michael betrachtete es unbesorgt, denn Reb Chaim stand mit dem Rücken zur Klasse und schrieb soeben die Grammatikaufgabe für den nächsten Tag an die Tafel. Michael sah auf das Blatt nieder -
    eine primitive Karikatur ihres Lehrers, nur kenntlich durch Bart, Brille und Käppchen. Grinsend setzte Michael der Nase noch eine Warze auf, wie der Lehrer sie tatsächlich hatte, und zeichnete den Arm mit der im Bart jagenden Hand, worauf er in Druckbuchstaben darunter schrieb: Chaim Chorowitz der Jagdchund.
     
    Erst am fatalen Schweigen der Klasse merkte er, daß der Reb über ihm stand und zusah, was er da schrieb. Es war plötzlich so still, wie nicht einmal Reb Chaim es verlangte, von keinem Bleistiftgekritzel, keinem Scharren und Schneuzen unterbrochen. Nur die Uhr tickte weiter, laut, langsam und unheimlich.
    Er vermied es, in die braunen Augen hinter den blitzenden Bril-lengläsern zu sehen, und saß da in Erwartung der Schläge auf seine Schultern. Dann schob sich Reb Chaims Hand langsam in das Blickfeld von Michaels niedergeschlagenen Augen; lang-fingrig, hager, sommersprossig und mit dunkler Behaarung an Gelenk und Fingerknöcheln. Die Hand ergriff das Blatt und ent-zog es Michaels Sicht.
    Und noch immer schlug der Rohrstock nicht zu.
    »Du bleibst nachher noch hier«, sagte Reb Chaim ganz ruhig. Die Unterrichtsstunde dauerte noch achtzehn Minuten, und jede Minute war wie eine Ewigkeit. Aber endlich war auch die letzte vorüber, und die Klasse wurde entlassen. Michael hörte die anderen polternd und lärmend das Haus verlassen. Es war jetzt sehr still im Zimmer. Reb Chaim ordnete seine Papiere zu einem Stoß, zog ein Gummiband darüber und verstaute sie in seiner zweiten Schublade. Dann verließ er die Klasse und ging über den Gang zum Lehrerklosett. Er schloß die Tür hinter sich, aber es war so still im Haus, daß Michael den Urin fließen hörte - es war wie fernes Maschinengewehrfeuer von einem anderen Frontabschnitt.
     
    Michael stand auf und trat zum Katheder. Dort lag der Rohrstock.
    Er war braun und glänzte, aber Michael wußte, daß diese Politur vom konstanten Gebrauch auf der zarten Haut jüdischer Knaben herrührte. Er ergriff den Stock und bog ihn zusammen. Es war überaschend leicht, ihn so bösartig durch die Luft pfeifen zu lassen.
    Ein Zittern überkam Michael, und er begann zu weinen. Er wollte sich einfach nicht mehr quälen lassen, weder von Reb Chaim noch von Stash Kwiatkowski, und er war entschlossen, der Talmud-Schule den Rücken zu kehren. Er drehte sich auf dem Absatz herum, ging aus dem Zimmer, den Rohrstock noch immer in Händen; seine Bücher blieben auf dem Pult zurück. Langsam verließ er das Haus und machte sich auf den Heimweg, wobei er sich ausmalte, wie er den Rohrstock der

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