Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
wollte sich nicht sofort hinsetzen, wenn es sich vermeiden ließ. Nicht in einem Haus, in dem er noch nie zuvor gewesen war. Wenn er sich in einen der niedrigen Lederimitat-Sessel sinken ließ, würden ihm eine Menge der Details entgehen, die einem Haus seinen Charakter verleihen und eine Menge über seinen Besitzer verraten.
Deshalb ging er ein wenig im Zimmer auf und ab, anstatt Pages Aufforderung nachzukommen, und blieb dann vor dem Gasofen stehen wie jemand, der sich vor einem offenen Kamin aufwärmt. Binnen weniger Sekunden hatte er die wichtigsten Eindrücke aufgenommen. Es gab keinerlei Anzeichen für irgendein Haustier, ebenso wenig für Kinder. Nichts deutete auf eine Lebensgefährtin hin. Das war das Haus eines alleinstehenden Mannes.
Pages Interessen waren an den Büchern über Höhlenexkursionen und Bergwandern abzulesen, die das Kiefernholzregal in einer Nische neben dem offenen Kamin füllten, und an dem Breitbildfernseher und dem DVD-Spieler samt sorgfältig aufgereihter Auswahl an DVDs, die alle in ihrer Hülle steckten
und möglicherweise sogar alphabetisch geordnet waren. Cooper sah Blade Runner – Director’s Cut an einem Ende und The Sixth Sense am anderen. Science-Fiction-Klassiker und Katastrophenfilme sowie ein paar Komödien.
Und es gab haufenweise CDs: U2, Del Amitri, INXS. Man konnte das Alter einer Person sehr genau anhand ihrer CD-Sammlung einschätzen. Bei vielen Leuten prägte sich der Musikgeschmack im Teenageralter aus. In Alistairs Fall waren die späten Achtziger und frühen Neunziger die entscheidende Phase gewesen. Cooper selbst erinnerte sich ebenfalls an diese Zeit – »Nothing Ever Happens« von Del Amitri hatte den musikalischen Hintergrund zu einer besonders schmerzhaften Phase der Angst vor dem Erwachsenwerden geliefert.
Er untersuchte den Rest des Zimmers. Im Zuge der Renovierungsarbeiten an dem Cottage war eine offene Treppe eingebaut worden. Zwei Stufen führten in einen Küchen-Anbau hinten am Haus hinauf, wo Page mit Gläsern klirrte und eine Kühlschranktür zuschlug. Es musste dort ziemlich eng sein, da sich das Fenster des Anbaus unmittelbar gegenüber der Mauer zum Nachbargrundstück befand. Selbstverständlich war das ganze Haus sehr klein – auf dieser Seite des Tals war nicht genug Platz gewesen, um großzügiger zu bauen.
»Die Häuser an diesem Ende der Ortschaft wurden ziemlich willkürlich gebaut«, erklärte Page, als er aus der Küche kam und Coopers Blick zum hinteren Fenster bemerkte. »Früher gehörten diese Häuser Bergarbeitern. Wenn ein neuer Bergarbeiter herkam, kaufte er sich eine Ecke des Gartens anderer Leute und baute sich sein eigenes Haus. Deshalb stehen die Cottages so dicht beisammen.«
»Ich nehme an, Sie müssen sich über Touristen ärgern, die Ihnen zum Fenster reinglotzen«, sagte Cooper.
»Tja, das ist ein Berufsrisiko, wenn man in Castleton wohnt. Möchten Sie sich denn nicht setzen?«
»Danke.«
»Sie haben am Telefon erwähnt, dass Sie an einem Buch interessiert sind«, sagte Page.
»Das ist richtig. Es heißt Unterirdischer Tod .«
»Ja, ich hab ein Exemplar davon, das Sie sich ausleihen können. Aber was wollen Sie denn damit? Hat Ihnen Ihre Erfahrung am Montag tatsächlich solche Angst gemacht?«
»Na ja, es war schon ziemlich beängstigend. Aber mir ist eingefallen, dass Sie etwas von einem tödlichen Unfall in der Höhle erzählt haben. Von einem echten tödlichen Unfall. Sie sagten, es wäre ein einzigartiges Ereignis gewesen, das schon lange zurückliegt.«
»Heutzutage kennen nur noch wenige Leute diese Geschichte«, sagte Page. Er ging zu seinem Regal und zog ein Buch heraus. »In Unterirdischer Tod gibt es ein Kapitel darüber. Ein junger Höhlenforscher kam ums Leben.«
»Wo ist das passiert?«
»Ein Stück tiefer im Höhlensystem, hinter der Schauhöhle. In einer Kammer namens Moss Chamber.«
»Das ist aber ein seltsamer Name. Wie kann es dort unten Moos geben, wenn es kein Licht gibt?«
»Die Kammer ist nach dem Höhlenforscher benannt. Er hieß Neil Moss.«
»Ich verstehe.«
»Das war Ende der fünfziger Jahre, als das Höhlensystem erstmals gründlich erforscht wurde.«
»Neil Moss hat diese Kammer also entdeckt, nehme ich an, wenn sie nach ihm benannt ist?«
»Nein, die Kammer selbst hat er nicht entdeckt, aber eine schmale Spalte, die in der Wand nach unten führt. Man sieht sie jetzt nicht mehr, nur noch eine leichte Vertiefung, die mit kleinen Steinen gefüllt ist.«
»Wer war dieser
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