Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
Abend. Und es würde ihn niemand nach draußen bringen, wenn er stürzte und sich den Knöchel brach. Nicht heute Abend und auch an keinem anderen Abend.
Durch die völlige Finsternis zu gehen war dasselbe, wie sich durch die Träume zu bewegen, die er jedes Mal hatte, wenn es ihm gelang zu schlafen. Das war die einzige Dunkelheit, die Quinn jemals Angst eingejagt hatte: die Dunkelheit, die hereinbrach, wenn er sich abends hinlegte und die Augen schloss. Und das lag daran, dass zu viel Licht durch seine Augenlider drang und Bilder hervorrief, tanzende und gestikulierende Formen, undeutliche Gestalten, die wortlos Szenen aus einem Leben darstellten, das er nicht erkannte. Diese Gestalten ähnelten denen, die er in einem der Gefängnisse im Fernsehen gesehen hatte, als der Empfang so schlecht gewesen
war, dass das Bild einen Grauschleier hatte. Mit geschlossenen Augen waren diese Gestalten nicht mehr als ein schwaches Schimmern von Farbe, eine Andeutung menschlicher Silhouetten. Was taten diese Leute, die erschienen, sobald er die Augen schloss?
Quinn ging ein Stück weiter und kam allmählich tiefer nach unten. In dem Buch Unterirdischer Tod war eine Karte des Peak-Speedwell-Höhlensystems abgedruckt gewesen. Die zahllosen Meilen von gewundenen und sich verzweigenden Röhren glichen einer riesigen Lunge. Diese Gedanken erinnerten ihn an Will Thorpe und sein Emphysem. Eigentlich hatte er ihm eine Gnade erwiesen, indem er ihn getötet hatte. Er malte sich die Obduktion aus und stellte sich vor, wie Wills Lunge herausgenommen und untersucht wurde. Sie würde einer verschrumpelten schwarzen Masse gleichen, und anstelle des von der Krankheit zerstörten Lungengewebes würde man fleischige Pusteln vorfinden.
Er spürte einen stechenden Schmerz in seiner Seite und berührte die Armbrust, deren Gewicht beruhigend auf seiner Schulter lastete. Heute Abend war nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, doch er konnte noch eine Weile warten. Momentan genoss er die innere Ruhe, die er verspürte. Es war ein gutes Gefühl, als habe das tiefe dunkle Maul der Höhle den Zorn aus seinem Blut gesaugt.
Tief unten in einer Höhle, abgeschnitten von der wirklichenWelt . Quinn wiederholte die Worte. Ja, er war tatsächlich von der wirklichen Welt abgeschnitten. Was auch immer die wirkliche Welt war.
Das Knirschen seiner Stiefel auf den Steinen hallte von den Wänden wider, als er in gebückter Haltung durch ein unterirdisches Flussbett stapfte. Er wurde vom stetigen Geräusch fließenden Wassers begleitet, das aus Löchern in der Decke strömte, an den Wänden herunterlief und in Becken im Fels plätscherte.
Wenn man sich hier drinnen nicht bewegte, begann man schnell zu frieren. Außerdem war in einigen der Kammern schlechte Luft. Von Zeit zu Zeit war er davon überzeugt, dass jemand vor ihm ging, da er vor sich Geräusche hören konnte, als ob die Stiefel einer anderen Person Steine lösten oder in Pfützen traten. Doch Quinn ignorierte die Geräusche und die Illusionen und ließ sich Zeit, als er, an der Wand entlangtastend, durch den Fluss watete, wobei ihm immer wieder Wasser von oben in die Stiefel lief.
Was wäre, wenn die Höhle überflutet werden würde? Er stellte sich vor, wie das Wasser immer stärker schäumend und immer lauter tosend über die Felsen strömte, bis es schließlich die Decke erreichte.
Quinn kam zu einem weiteren Becken und schaltete seine Taschenlampe ein. Als er zuckende Bewegungen im Wasser sah, wurde ihm bewusst, dass hier unten doch Leben existierte. Winzige Wesen, die ihn an Bruchstücke eines Fingernagels erinnerten, bewegten sich seitlich vorwärts. Einsiedlerkrebse, die in einer Umgebung ohne natürliche Feinde lebten. Er fragte sich, weshalb sie nicht fortgespült wurden, wenn die Höhlen geflutet wurden.
Der Boden war mit einer Sinterkruste bedeckt, über die Wasser floss. Quinn ging tief in die Hocke. Inzwischen hörte er ununterbrochen Stimmen, war sich jedoch darüber im Klaren, dass es sich nur um die Echos im Höhlensystem handelte. Diese Höhlen waren ebenso abgeschieden und unberührt wie die entlegensten Winkel des Planeten. Der Zeit kam hier eine ganz andere Bedeutung zu, da die Höhle seit Jahrmillionen die Auflösung von Fels im Wasser erlebte. Dagegen kam er sich winzig und vergänglich vor.
Trotzdem waren die Sinterfahnen im Lauf der Jahre von Hunderten Stiefelpaaren von Höhlenwanderern mit Schlamm bespritzt und beschmiert worden. Er hatte gelesen, dass sich die Mitglieder eines
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