Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
als eine Meile westlich von Rebecca Lowes Haus, war der Weg, der zu Wingate Lees führte – dem Campingplatz der Proctors.
Cooper lief ein Schauer über den Rücken, obwohl ihm nicht kalt war. Die Windschutzscheibe seines Wagens war mit Gewitterfliegen
übersät, die zu Dutzenden einen langsamen Tod auf dem heißen Glas starben. Er versuchte, sie wegzuwischen, aber seine Scheibenwischer verschmierten sie zu einem klebrigen Brei und hinterließen fettige, von schwarzen Flecken unterbrochene Streifen. Es dauerte mehrere Minuten, bis er wieder gut genug sah, um durch Hathersage zurückfahren zu können.
20
Bevor Diane Fry sich an diesem Abend zum Ausgehen fertig machte, verbrachte sie zehn Minuten mit Gymnastik, um sich vom Tag zu entspannen, ihre Muskeln zu dehnen und ihre Gliedmaßen zu lockern, bis ihr Körper angenehm kribbelte.
Der Nachmittag war frustrierend gewesen. Weder der Bewährungshelfer noch Richard Wakelin, der entlassene Gefangene, waren in der Lage gewesen, ihr irgendeinen Einblick in Mansell Quinns Gedanken zu ermöglichen. Es sah so aus, als habe Quinn die Karten einige Zeit lang ziemlich nahe an die Brust gehalten, als hätte er geahnt, dass jemand wie sie kommen und Fragen stellen würde.
Mitten in einer Dehnübung stellte Fry fest, dass sie ein Stück Tapete betrachtete, das sich an der Kante von der Wand zu lösen begann. Das war ihr bislang noch nicht aufgefallen. Sie hatte sich glücklich geschätzt, die Wohnung in der Grosvenor Avenue gefunden zu haben, als sie nach Edendale kam. Sie war zwar deprimierend, aber auf eine greifbare Art und Weise, da sie keine schmerzhaften Erinnerungen oder Assoziationen barg, keine bedeutsamen Habseligkeiten aus ihrem alten Leben – sie hatte alles weggeworfen.
Doch Angies Ankunft hatte das verändert. Die Wohnung war jetzt nicht mehr frei von Gefühlen. Sie begann sich mit willkürlichen Erinnerungen zu füllen, mit Ereignissen aus ihrer Kindheit, die sie längst vergessen oder in ihrem Unterbewusstsein begraben hatte. Jetzt konnten eine halb vertraute Formulierung von Angie, der Klang ihrer Stimme oder eine Geste,
die sich seit ihrer Teenagerzeit nicht verändert hatte, sie wieder zum Vorschein bringen. Sie krochen in die Zimmerecken und hingen in der Luft – lediglich Kleinigkeiten, aber imstande, ihr unvorbereitet einen Schock der Erinnerung zuzufügen. Einige davon brachten sie zum Lächeln, andere verursachten ihr Schmerzen, die ihr den Atem raubten.
Fry schloss das Wohnzimmerfenster, um die Pollen auszusperren. Dann nahm sie eine Dusche und wusch sich die Haare, in der Hoffnung, eine Zeit lang von ihrer Allergie verschont zu bleiben. Doch sie musste noch immer ständig niesen, und ihre Augen brannten. Sie benutzte ein Taschentuch nach dem anderen, knüllte es zusammen und warf es in den Abfalleimer. Hin und wieder knüllte sie auch eines zusammen, ohne es benutzt zu haben, weil sie sich dadurch ein wenig besser fühlte.
»Mein Gott, ist es so schlimm?«, fragte Angie, nachdem sie ihre Schwester eine Weile beobachtet hatte.
»Ja.«
»Kannst du dich nicht dagegen impfen lassen oder so?«
»Dafür ist es schon zu spät. Aber ich hab Tabletten, die vielleicht helfen. Wenn nicht, wirst du mich eben leiden sehen müssen.«
»Aber essen kannst du trotzdem, oder?«
»Solange ich nicht versuche, gleichzeitig zu atmen.«
»Wir gehen nämlich heute aus, weißt du?«
»Das hatte ich nicht vergessen. Ich hab schon reserviert.«
Angie sah ihr zu, wie sie ein weiteres Taschentuch zum Abfalleimer warf und ihn verfehlte. Fry erinnerte sich daran, dass Heuschnupfen genetisch bedingt war. Allergien waren vererbbar.
»Angie, hattest du als Teenager jemals Heuschnupfen?«, fragte sie.
»Nö. Wieso?«
»Ich hab mich nur gefragt. Das gehört zu den Dingen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.«
»Du hast dich nicht bei mir angesteckt, falls du das meinst.«
»Ich könnte mich gar nicht bei dir angesteckt haben. Heuschnupfen ist eine Allergie.«
»Na bitte. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Allergie.«
Fry schniefte. »Also noch was, das uns unterscheidet.«
Nachdem Ben Cooper das Videoband und den Film in der Einsatzzentrale in der West Street abgeliefert hatte, wurde ihm bewusst, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen. Heute würde er keine Überstunden machen.
Sein Gesicht juckte, und er wischte sich über Wangen und Stirn, da er vermutete, dass sie mit Gewitterfliegen bedeckt waren, die sein Schweiß angelockt hatte. Es schien
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