Der Rache Suesser Klang
hättest.«
Wie ein angestochener Ballon ging ihr die Luft aus, und sie hörte auf, sich gegen ihn zu wehren. Ihr Körper erschlaffte, und er lockerte seinen Griff, obwohl er beinahe erwartete, dass sie sich von ihm zu lösen versuchte. Aber sie tat es nicht. Lag nur da und starrte ihn an, als ob er sie geohrfeigt hätte. »Meine Mutter«, flüsterte sie schließlich. »Ich habe meine Mutter getötet. Bist du nun zufrieden?« Sie rollte sich herum, boxte ins Kissen und sagte kein einziges Wort mehr.
Chicago
Donnerstag, 5. August, 2.00 Uhr
Was Betten anging, hatte sie schon besser gelegen, dachte Evie, allerdings auch schon schlechter. Die Badewanne in diesem schmierigen kleinen Hotel war sauberer, als sie es erwartet hätte, und wenn sie ihre Glieder nicht anspannte, war es erträglich. Die Stricke, die ihre Hand- und Fußgelenke fesselten, saßen fest. Sie würde keine Chance haben, sie zu lösen. Das Klebeband über ihrem Mund war eine starke Motivation, nicht zu weinen. Wenn sie das täte, würde ihre Nasenschleimhaut anschwellen und sie würde ersticken.
Es war ihr gelungen, sich aufzusetzen, nur um festzustellen, dass Jane sie nicht nur gefesselt, sondern ihre Hände auch noch am Haltegriff an der Wand festgebunden hatte. Sie hatte daran gezogen, aber es war vergeblich gewesen, und sie verfluchte sich einmal mehr, dass sie sich in den vergangenen Jahren so hatte gehen lassen. Vor Winters war sie gelaufen, hatte Gewichte gestemmt, aber seit dem Vorfall … seit dem Vorfall hatte sie nichts getan, außer sich zu verstecken, wie Dana es immer so gerne ausdrückte.
Sie versuchte, sich keine Sorgen um Erik zu machen, den Sue unter das Bett geschoben hatte. Ebenfalls gefesselt und geknebelt. Inzwischen war es ziemlich klar, dass der Junge nicht Janes Sohn war. Ihr Instinkt hatte sie also doch nicht getrogen. Sie war der Meinung gewesen, dass Jane etwas von einer Hamster-Mutter hatte, die ihre Jungen auffraß. Und so weit war sie davon nicht entfernt gewesen.
Sie versuchte, sich nicht zu viele Gedanken über Dana zu machen. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Freundin wusste, in welcher Gefahr sie sich befand. Und sie war plötzlich sehr, sehr glücklich, dass sie am Morgen begonnen hatten, sich wieder einander anzunähern. Dana hatte einen Freund. Und den hatte sie schließlich verdient. Evie kannte niemanden, der sich intensiver seinem Job widmete.
Weil es mehr als nur ein Job ist,
dachte Evie und runzelte die Stirn, als die Tränen in ihrer Kehle aufstiegen. Keine Tränen.
Atmen ist gut. Ersticken ist schlecht.
Ein Rumsen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Jane war zurück. Sie wappnete sich gegen die kalten, leblosen Augen.
Und konnte nur überrascht blinzeln, als die Tür aufflog und ein erschöpfter Erik zu Boden glitt.
Chicago
Donnerstag, 5. August, 3.30 Uhr
Ü
berall Blut. Überall. Es war an die Wände gespritzt, in den Teppich gesickert. Ihre Schuhe schmatzten, als sie losrannte. Rannte und neben der Gestalt auf die Knie sank. Sie wusste, dass die Frau tot war. Sie wusste immer, dass die Frau tot war. Und doch griff sie zu, versuchte es, aber da war zu viel Blut. Glitschig. Sie griff wieder zu, wie sie es immer tat. Es ist ein Traum. Nur ein Traum. Sie wusste es. Aber sie konnte nicht aufwachen. Konnte sich selbst nicht davon lösen. Konnte ihr Herz nicht daran hindern, vor Furcht zu rasen. Sie drehte die Gestalt um und wappnete sich gegen den Anblick des Gesichts. Wer würde es heute Nacht sein?
Der Schrei gellte durch ihren Kopf, als sie in das Gesicht blickte. Dann setzte das Klingeln ein. Sie tastete nach dem Telefon, doch es glitt ihr aus den Händen. Sie hielt die Hände hoch und spürte einen weiteren Schrei in ihrer Kehle aufsteigen.
Blut
. Ihre Hände waren voll Blut. Und das Telefon klingelte und klingelte.
Das Klingeln weckte sie. Zitternd, voller Entsetzen, kam Dana auf die Knie und schüttelte den Kopf, um sich von dem Traum zu befreien. Sie sah blinzelnd auf den Wecker und wusste mit einem Schlag wieder, wo sie war. Und bei wem. Und auch, was sie ihm verraten hatte. Sie griff nach dem Telefon neben dem Bett und starrte verwirrt auf den Hörer, als sie das Freizeichen hörte. Dann fiel ihr das Handy ein, das sie vor ihrem Bad gestern Abend auf den Nachttisch gelegt hatte.
Evie.
Neben ihr hob sich Ethan auf einen Ellenbogen und schaltete das Licht an. Neben der Lampe lag ihr Handy und seine Pistole. Er fixierte sie mit seinen ruhigen grünen Augen, während er ihr das
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