Der Rache Suesser Klang
Leiche gefunden«, sagte Abe und schnitt eine Grimasse. »Heute Nachmittag in einem Hotel. Sue hat das ›Bitte nicht stören‹-Schild an die Tür gehängt, so dass das Zimmermädchen nicht gewagt hat, einzutreten.«
»Bis er anfing zu riechen«, fügte Mia hinzu. »Wir mussten auf sein Gebiss zurückgreifen, um ihn zu identifizieren. Viel hat Sue von ihm nicht übrig gelassen. Sie hat ihm nicht nur die Finger abgeschnitten, sondern auch seinen Penis. Julia meint, er habe dabei noch gelebt.«
»Sie hat ihn mit Inbrunst gehasst«, sagte Dana. »Es würde mich nicht überraschen, wenn Mr. Oscola seine Macht als Gefängniswärter dazu benutzt hat, die weiblichen Insassen zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Was sich wunderbar in Sues Einstellung zu Sex einfügt. Sex gleich Macht. Sie wurde in ihrer Jugend missbraucht.«
Dana schob ein Blatt aus ihrem Notizbuch über den Tisch. »Ich bin heute bei Sandy Stones Kollegen gewesen. Du kannst mich gern später zusammenfalten, aber ich wusste, sie würden ohne Gerichtsbeschluss nicht mit dir reden. Ich habe ein paar Adressen aufgeschrieben, die wir überprüfen können.«
Abe nahm das Blatt. »Wir hätten die richterliche Verfügung spätestens morgen gehabt. Wir haben sie nämlich bereits angefordert.«
Dana zuckte die Achseln. »Dann haben Sie dieses hier schon einen Tag früher.«
Abe blinzelte und rieb sich die Augen, und Dana fragte sich, wie viel Schlaf er und Mia wohl vergangene Nacht bekommen hatten. »Da steht auch drauf, wo sie in Pflege genommen wurde.«
Mia blieb stehen und blickte über Abes Schulter auf das Blatt. »Wieso?«
»Wir haben gedacht, dass Sue vielleicht Evie und Alec dort versteckt hat, wo sie sich damals einsam und isoliert gefühlt hat«, antwortete Dana. »Sie inszeniert ein Drama, und das ist persönlich. Also muss auch die Inszenierung selbst persönlich sein. Ich kann mir vorstellen, dass sie ursprünglich das Haus ihres Onkels nehmen wollte. Sie hat es gehasst. Und es scheint mir als Annahme ganz vernünftig, dass der Ort, den sie sich als Ersatz aussucht, ihr ähnlich verhasst gewesen ist.«
Mia ließ sich neben Dana auf einen Stuhl fallen. »Rede weiter, Schätzchen. Was hast du dir noch überlegt?«
Dana wusste, dass ihr verziehen worden war. »Hier geht es vor allem um Rache. Randi hat sie nicht nur einmal betrogen, sondern gleich zweimal. Sie hatte zehn Jahr Zeit, das hier zu planen. Sie tut vieles symbolisch, und all das Leid, das sie erlebt hat, fließt hinein. Ich würde dieses Leid – real oder eingebildet – gern besser verstehen. Habt ihr mit dem Gefängnis gesprochen?«
»Ja.« Abe blätterte in seinem Notizbuch. »Sue war fünf Jahre lang Zellengenossin von Tammy Fields, der Frau, von der du gesprochen hast.«
Dana verzog das Gesicht. »Dann hat sie über Tammy von uns erfahren. Und jetzt wissen wir auch von Fred Oscola.«
»Und können uns aus der Art, wie seine Leiche zugerichtet war, einiges denken«, fügte Mia hinzu. »Seine Finger abzutrennen gehörte zum Geschäft. Sie brauchte etwas, um den Vaughns einen gehörigen Schrecken einzujagen.«
»Aber seinen Penis abzutrennen war persönlich«, beendete Dana trocken die Überlegung, und die anwesenden Männer zogen den Kopf ein. »Sie ist also vermutlich im Gefängnis vergewaltigt worden. Wie lange war Oscola dort angestellt?«
»Die ganzen zehn Jahre, die sie da gewesen ist«, sagte Abe, der sich noch immer nicht wohl zu fühlen schien.
»Das ist eine verdammt lange Zeit.« Dana sah Mia stirnrunzelnd an. »Versteh mich nicht falsch, aber wenn ich zehn Jahre lang Vergewaltigungen ertragen müsste, dann würde ich der Person, die mir das angetan hat, etwas Ähnliches antun.«
»Dann hätte sie Oscola nicht töten müssen«, sagte Mia.
»Wieso nicht? Auch er hat ihr Leid angetan«, sagte Dana. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Randi Vaughn genau beobachtet. Und was immer Sue für sie geplant hat – es wird nicht schön sein.«
»Und was ist mit Ihnen, Dana?«, fragte Abe leise. »Was mag sie für Sie geplant haben?«
Dana schob ihre Gedanken mental in eine Kiste. Das Schloss an der Kiste wurde von Mal zu Mal brüchiger. »Wahrscheinlich auch nicht viel Schöneres. Ich stehe für jede Sozialarbeiterin, die sie je von ihren Eltern getrennt oder zu Pflegeeltern gegeben hat, die sie je gezwungen hat, etwas zu tun, was sie nicht tun wollte.«
Mia warf Ethan einen eindringlichen Blick zu. »Sind Sie bewaffnet?«
Ethan nickte, die Kiefermuskeln
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