Der Rache Suesser Klang
er schon aufgewacht?«
»Ja, einmal kurz«, sagte Randi. »Der Arzt meint, er wird trotzdem noch viel schlafen. Ethan …« Ihre Stimme schwankte. »Wie kann ich dir danken?«
Ethan sah sie an, nahm ihre Hand und drückte sie. »Das hast du gerade. Wir sind quitt.«
Stan räusperte sich, und seine Stimme klang hart und gezwungen. »Danke, Ethan.«
Es waren die ersten Worte, die Stan zu ihm gesagt hatte, seit er Ethan an jenem Abend in Wight’s Landing um Hilfe gebeten hatte.
Tu es für Richard,
hatte er gesagt.
Das wenigstens schuldest du ihm.
Aber nun, da er hier saß und das Kind betrachtete, wusste er, dass er es genauso Alec geschuldet hatte. Er hatte eine Verantwortung übernommen und sie vernachlässigt. Seit zwei Jahren war er Alecs Pate, aber er hatte diese Zeit verschwendet. Er hatte immer vorgegeben, dass Stan ihm nicht erlaubte, Teil von Alecs Leben zu sein, aber das war nichts weiter als eine Ausrede gewesen. Die Wahrheit war, dass er die Tür zu seinen Gefühlen verschlossen hatte. Bis Dana sie wieder weit aufgerissen hatte.
Ethan sah Stan an. »Gern geschehen. Auch wir sind quitt.«
In diesem Moment hoben sich flatternd Alecs Lider. Der Junge weitete bei Ethans Anblick überrascht die Augen.
Ethan nahm eine von Alecs mageren Händen in seine. Die Knochen fühlten sich an wie spröde Zweige. Bedauern und Trauer durchfuhren ihn, als er sich klarmachte, dass er mit seinem Patenkind nicht kommunizieren konnte. Er hatte zwei Jahre Zeit gehabt. Er hätte die Zeichensprache lernen sollen. Aber das war ein Versäumnis, das er wieder gutmachen würde, denn wenn all das hier vorbei war,
würde
er sich zu einem Teil von Alecs Leben machen. »Randi, kannst du ihm etwas von mir sagen?«
»Natürlich.«
»Sag ihm, dass ich stolz auf ihn bin.« Er wartete, bis Randi die Worte in Zeichen umgesetzt hatte. Der Blick des Jungen aus den großen, tief liegenden Augen schoss zu ihm. »Sag ihm, dass es Evie gut geht.« Alec sank erleichtert ins Kissen zurück. »Sag ihm, dass Evie uns erzählt hat, wie er mit ihr gesprochen hat, und dass wir ihn nur so haben finden können.« Alecs Lippen bebten, und seine Augen füllten sich mit Tränen, aber er blinzelte energisch, und seine Miene verhärtete sich. Er entzog Ethan seine Hand und machte zu Randi einige Zeichen.
»Er will wissen, ob ihr die Frau mit den weißen Augen schon habt.« Sie stieß ein zittriges Lachen aus. »Er nennt sie Miststück. Und ich kann’s ihm nicht verübeln.«
»Sag ihm, dass wir sie noch nicht haben, aber sie finden werden. Frag ihn, ob sie ihn irgendwo anders außer in dem Motel festgehalten hat.«
Alec sah zu, dann schüttelte er den Kopf. Machte Zeichen mit den Händen und wirkte viel zu alt für sein Alter.
»Er will wissen, warum sie ihn entführt hat. Warum sie Cheryl und Paul getötet hat«, übersetzte Randi. »Ich will nicht, dass er das von Sue erfährt, Ethan.«
Ethan sah mit einem Stirnrunzeln auf. »Er wird es ohnehin früher oder später erfahren. Aber wenn du es ihm sagst, ist es deine eigene Entscheidung. Für mich steht nun an erster Stelle, Dana zu finden.« Er wandte sich wieder dem Jungen zu, der ihn mit misstrauischem Blick ansah. »Frag ihn bitte, ob er sich an die Frau mit den kurzen roten Haaren erinnert.«
Alec nickte. »Sie war Evies Freundin. Sie war nett«, übersetzte Randi. »Und er will wissen, warum du fragst.«
»Weil sie jetzt auch entführt worden ist.« Alecs Blick flog schockiert von den Händen seiner Mutter zu Ethans Augen. »Ich muss wissen, ob er sich an irgendetwas anderes erinnert.«
Alec verharrte einen Moment lang reglos. Dann bewegten sich seine Hände langsam. Und Randis Stimme wurde immer belegter, während sie jede grausige Einzelheit berichtete, die ihr Sohn erlebt hatte. »Ethan, mehr weiß er nicht. Es tut mir leid.«
Ethan drückte leicht den Arm des Jungen. »Ich komme später wieder zu dir.« Er stand auf und begegnete Stans steinernem Blick. »Ich werde ihn besuchen, Stan. Das Recht habe ich mir mehr als verdient.« Er wartete, bis er und Clay im Korridor waren. »Kannst du mir nachher einen Gefallen tun?«
Clay sah ihn misstrauisch an. »Normalerweise ja, aber vor einer Stunde habe ich mich genau deswegen bei den Schwestern ziemlich unbeliebt gemacht, weil ich dir ein neues Hemd gekauft und dir aus dem Bett geholfen habe.«
»Diesmal kriegst du keine Schwierigkeiten. Kannst du, wenn sich der Staub gelegt hat, in einen Buchladen gehen und mir ein Buch über Zeichensprache
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