Der Rache Suesser Klang
eine Menge ungesagt gelassen hatte. »Was ist passiert?«
»Während wir beide heute Morgen telefoniert haben, hörte ich, wie Stan sein Boot startklar machte. Ich bin zu ihm gegangen und habe ihm auf den Kopf zugesagt, dass er die Leiche aufs Meer rausbringen wollte. Er hat es abgestritten.«
Ethan sackte in sich zusammen. »Aber er hatte es tun wollen, meinst du?«
»Aber sicher. Stan dachte ja gar nicht daran, die Bullen anzurufen. Er zeterte und wetterte, dass es uns ja egal sein konnte, was mit Alec passiert. Dann kam Randi und schleuderte ihm wieder seine Affären ins Gesicht. Es war sehr … unerfreulich.«
»Tut mir leid, dass du da hineingezogen worden bist, Clay. Aber Stan ist nicht mehr der Alte.«
»Ich weiß nicht, ob es dir was nützt, aber ich bin mir nicht sicher, ob er je der Mann war, für den du ihn gehalten hast. So sehr ändern sich die Menschen nicht, Ethan. Klar, im Augenblick steht er unter extremem Stress, und das mag erklären, warum er den Mord an McMillan nicht melden oder warum er die Leiche einfach versenken wollte, aber die Sache mit seinen Geliebten entschuldigt das nicht. Verdammt, du hättest Randis Gesicht sehen sollen, als ich die Liste der Frauen durchging, die er mir gegeben hat.«
Ethans Wut kochte hoch. »Mistkerl. Sie soll sich ziemlich schnell testen lassen.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das gerade nicht ihre erste Sorge ist«, sagte Clay trocken.
Alec.
»Nein, natürlich nicht.« Ethan kam zu einem Straßenabschnitt, wo die Sonne durch die Häuserschluchten fiel, und er zuckte im grellen Licht zusammen. Er blieb stehen und starrte auf eine Ampel, während ihm die Realität der Situation langsam, aber sicher zu vollem Bewusstsein kam. »Das ist doch vollkommen verrückt. Wir suchen die Nadel im Heuhaufen. Ich hätte mich niemals überreden lassen dürfen, bei dieser Sache mitzumachen. Was hab ich mir bloß dabei gedacht?«
»Dass du nicht zulassen kannst, dass Alec wie Paul McMillan endet«, antwortete Clay schlicht. »Hör mal, falls es dich irgendwie tröstet, wir tun alles, was die Polizei auch täte.«
»Außer Alecs Bild überall in diesem Land öffentlich zu machen.«
»Das würden sie vielleicht auch nicht tun, E. Nicht, wenn sie sich vor einer Vergeltungsmaßnahme fürchteten. Wer immer Alec entführt hat, hat keine Spur hinterlassen, mit der Ausnahme von McMillans Leiche, und die hat die Polizei jetzt. Wir müssen einfach warten. Sieh zu, dass du was zu essen und ein paar Stunden Schlaf bekommst.«
»Tu mir bitte noch einen Gefallen. Überprüf für mich einen Mann namens William Bush. Ex-Sergeant des CPD , jetzt bei der Sicherheit am Busbahnhof. Mein Bauch sagt mir, er könnte uns eine große Hilfe sein, aber mein Bauch ist momentan ziemlich erschöpft.«
»Okay. Sonst noch Namen, die ich abchecken soll, wenn ich schon dabei bin?«
»Ja.« Dana Dupinsky. Ethan öffnete den Mund, um den Namen auszusprechen, klappte ihn aber plötzlich wieder zu. Dass Clay ihren Hintergrund überprüfte, schien ihm irgendwie zu … persönlich, zu intim. Nein, wenn er beschließen sollte, sie genauer zu betrachten, dann würde er das selbst tun. »Ach, schon gut. Ruf mich an, wenn du etwas über Bush gefunden hast.«
Chicago
Sonntag, 1. August, 20.15 Uhr
Dana stand an der offenen Tür des Zimmers ihrer neusten Klientin. Evie saß neben Erik auf dem Bett und strich ihm übers Haar. Jane war nirgendwo zu sehen.
»Wie geht’s ihm?«, murmelte Dana, und Evies Rücken versteifte sich. Sie hatten kein Wort miteinander gesprochen, seit sie vor Stunden von Lillians Beerdigung zurückgekehrt waren.
»Schläft immer noch. Jane meinte, er sei praktisch die ganze Fahrt wach gewesen, also hat er einiges aufzuholen.«
»Kein gesundes Kind braucht derart viel Schlaf«, sagte Dana besorgt.
Irgendetwas stimmte mit diesem Jungen nicht. »Und der Lärm, den David auf dem Dach macht, könnte Tote aufwecken. Ich werde morgen Dr. Lee anrufen, damit er sich den Burschen ansieht.«
Evie streichelte das Kind weiter. »Danke.«
»Wo ist Jane?«
»Draußen. Rauchen.«
Dana seufzte. »Waren Naomi und Ben auch auf der Beerdigung?«
Evies dunkler Kopf bewegte sich hin und her. »Ich habe sie nicht gesehen, aber ich bin auch ganz hinten geblieben. Mia war da. Wenn es dich tröstet, sie hat mich direkt angesehen und nicht erkannt.«
»Hat sie doch. Sie hat mich vorhin angerufen. Sie hat getan, als ob sie dich nicht erkannt hätte, damit Goodman, falls er denn irgendwo
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