Der Rache Suesser Klang
kleiner Funke …« Sie schnitt eine lustige Grimasse. »Okay?«
Sue holte tief Luft, um den Ärger niederzukämpfen.
Du hast mir gar nichts zu sagen, du kleine Schlampe.
Sie senkte rasch den Blick, damit Caroline das wütende Blitzen in ihren Augen nicht sah. Plötzlich fiel es ihr höllisch schwer, der Jane-Rolle gerecht zu werden. »Tut mir leid«, presste sie mühsam hervor.
»Kein Problem. Nur, dass du Bescheid weißt. Bis später dann.«
Sue nickte abgehackt. »Okay.« Sie zog sich rasch in ihr Zimmer zurück und blickte in den Spiegel an der Wand. Caroline stand noch im Flur und sah ihr besorgt nach. Sue schloss die Tür. Behutsam.
Sie würde sich beherrschen.
Beruhige dich schon.
Sie blieb abrupt stehen, als sie merkte, dass sie wütend hin und her ging. Holte tief und kontrolliert Luft.
Nur eine Woche. Sie warf einen Blick auf das Kind, das friedlich schlief. Eine Woche, in der sie noch einiges zu tun hatte. Sie holte die Digitalkamera, die sie Rickman abgenommen hatte, aus dem Rucksack und machte ein Foto von dem schlafenden Jungen. Nichts Dramatisches, nur eine kleine Erinnerung für die Vaughns, wer hier am längeren Hebel saß. Dann zog sie den Laptop hervor und schaltete ihn ein. Jetzt würde sie die Bedingungen stellen. Fünf Millionen, die auf ein Auslandskonto transferiert werden sollten. In der Gefängnis-Bibliothek hatte sie alles Nötige über Auslandskonten gelernt.
Sie runzelte die Stirn. Der Bildschirm blieb schwarz. Mist. Die Akkus waren leer. Aber der Computer hatte noch jede Menge Saft gehabt, als sie die erste E-Mail von Morgantown aus abgeschickt hatte. Ich muss vergessen haben, ihn auszumachen, als ich fertig war, dachte sie wütend und wühlte durch ihren Rucksack, fand jedoch den Adapter nicht. Verdammt. Dieser Idiot Bryce hatte ihn in seinen Rucksack gepackt, der nun irgendwo bei der Polizei von Maryland lagerte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Hatte sie ihn angefasst? Nein, sie war sicher, dass sie es nicht getan hatte. Sie war sauber. Sie musste nur eine andere Möglichkeit finden, die Vaughns zu kontaktieren.
Chicago
Sonntag, 1. August, 14.00 Uhr
Dana schloss die Tür zu ihrem Büro und fuhr zusammen, als Evies Zimmertür so heftig zufiel, dass das Haus zu erzittern schien. Caroline hatte sie wach gerüttelt und ihr erzählt, dass Evie zu Lillians Beerdigung gegangen war. Dana hatte versucht, Evie einzuholen, aber sie war nicht rechtzeitig gekommen. Also hatte sie vor der Kirche gewartet, bis Evie mit dicken Tränenspuren in ihrem zugekleisterten Gesicht wieder herauskam. Die Fahrt zurück war nicht angenehm gewesen. Sie hatten sich heftig gestritten, und wieder hatte Evie geweint – bis ein Blick in den Rückspiegel Evie schaudernd zum Verstummen gebracht hatte.
Ohne Make-up hatte Evie ein Narbengesicht. Mit wirkte es wie eine starre Maske. Aber wenn die Schminke in ihrem Gesicht zerrann, dann sah sie tatsächlich gruselig aus, musste Dana zugeben. Wie das Phantom der Oper. Da sie die junge Frau nur allzu gut verstehen konnte, hielten sie kurz bei Danas Wohnung, damit Evie sich wieder zurechtmachen konnte und niemand anderes sie so sehen würde. Seitdem hatte Evie kein Wort mehr gesprochen.
Dana setzte sich an ihren Schreibtisch und schloss die Augen. Ihr Kopf tat von heute Morgen noch immer weh. Und sie hatte Hunger. Die Pommes frites mit Ethan Buchanan waren schon lange her. Ethan Buchanan. Er wollte sie morgen früh wieder sehen. Sie hatte darüber nachgedacht, während sie auf Evie vor der Kirche gewartet hatte. Sie wusste nichts von diesem Mann, außer seinen Namen und dass er sie mit einem einzigen Blick beruhigen und mit einer einzigen Berührung in Aufruhr versetzen konnte. Aber sie konnte mehr erfahren. Die Ressourcen des Internets waren nur einen Klick entfernt.
Sie beäugte ihren schlummernden Computerschirm. Sie konnte etwas über ihn herausfinden, aber das erschien ihr unhöflich. Wie eine Überschreitung seiner Privatsphäre. Sie stieß die Maus mit dem Zeigefinger an.
Und seufzte, als der Bildschirm zum Leben erwachte und die Google-Suchmaschine zeigte. Eine der Bewohnerinnen, Beverly, würde diese Woche ausziehen und an die Westküste gehen, und Dana hatte am Abend zuvor preiswerte Wohnungen in Kalifornien gesucht. Nun kam es ihr vor wie ein Zeichen. Wenn ihr Computerschirm zu Solitaire erwacht wäre, hätte sie die Achseln gezuckt, ein wenig gespielt und sich dann auf das Tagesgeschäft konzentriert. Aber Google schien sie zu locken. Zögernd
Weitere Kostenlose Bücher