Der Rache Suesser Klang
nickte.
»Ich muss ins Krankenhaus. Sie ist verletzt.«
Sie war inzwischen bleicher als am Morgen zuvor, als der Taschendieb sie niedergeschlagen hatte. »Was ist passiert?«
»Sie wollte einkaufen gehen, nachdem sie bei mir zu Hause war. Sie hat ihren Einkaufswagen zu ihrem Auto geschoben, als irgendein Spinner über den Parkplatz gerast kam und sie … angefahren hat.«
»Wie schlimm ist es?«
»Man weiß es noch nicht. Verdammt noch mal, dieses Arschloch hat noch nicht mal angehalten!« Sie schloss die Augen, und er sah, wie sie sich um Konzentration bemühte. »Ich muss zu meiner Wohnung und das Auto holen.«
»Ich fahre dich«, sagte er und führte sie zu seinem Wagen.
Chicago
Montag, 2. August, 19.45 Uhr
Sie hatte kein Wort gesagt, seit er sie auf dem Beifahrersitz seines Wagens angeschnallt hatte. Sie starrte unverwandt aus dem Fenster und nagte an ihrer Unterlippe. Ab und zu murmelte sie etwas Unverständliches, was vielleicht ein Gebet sein mochte, und auch er sprach in Gedanken eines für die quirlige kleine Frau, die Dana am Tag zuvor nahezu gezwungen hatte, mit ihm essen zu gehen. Er fand, er verdankte Caroline Hunter eine ganze Menge. Er nahm Danas Hand, und sie zerquetschte ihm seine beinahe.
»Ich weiß, dass du dir Sorgen machst«, sagte er ruhig. »Aber wenn du so angespannt bist, wirst du sie nur unnötig aufregen.«
»Du hast Recht. Ich beruhige mich.« Dana fühlte sich, als habe sie einen Ziegelstein verschluckt. Sie hatte keine solch vernichtende Angst mehr empfunden, seit sie vor zwei Jahren in ihrer Wohnung Evie gefunden hatte – niedergestochen und halb erwürgt. Das Schwein hatte sie damals zum Sterben liegen lassen. Und nun war Caroline angefahren und verletzt worden. Am Tag nach Lillians Beerdigung.
Dana gefror das Blut in den Adern. Der Täter war abgehauen. Und wenn es Goodman gewesen war? Er hätte Caroline von Danas Wohnung aus folgen können.
Aber er weiß doch nicht, wo ich wohne,
dachte sie verzweifelt. Es sei denn …
Es sei denn, er ist mir gestern von Lillians Beerdigung gefolgt, als ich Evie dort aufgelesen habe.
Verdammte Göre! Wut kochte in ihr auf, und ein Schauder rann durch ihren Körper. Aber Wut half niemandem, genauso wenig wie Furcht. Sie konzentrierte sich auf ihre eigenen Angstbewältigungsstrategien und stellte sich vor, wie sie die Furcht in eine Kiste packte und diese fest verschloss. Sich umdrehte und wegging.
Denk an etwas anderes. An jemand anderen.»
Und hast du bei Bill Bush geschäftlich etwas erreicht?«
Ethan warf ihr einen raschen Seitenblick zu. »Noch nicht. Aber ich gebe nicht so schnell auf. Du siehst etwas besser aus.«
So fühlte sie sich auch. »Danke. Ich muss Evie anrufen und ihr wegen Caroline Bescheid geben. Ich wollte es nicht tun, solange ich so aufgebracht war.«
»Wer ist denn Evie?«
»Sie ist meine …« Ja, was? Wie standen sie jetzt, heute, nach diesem Streit, zueinander? »Ich bin ihr Vormund.« Sie näherten sich der Ausfahrt. »Du fährst am besten hier heraus.«
Er nickte. »Warum bist du ihr Vormund? In welcher Beziehung steht sie zu dir?«
Dana dachte einen Moment lang über ihre Antwort nach. Ihm die Wahrheit zu sagen barg im Grunde keine Gefahr. Es konnte sogar ganz günstig sein, falls sie ihm je die
ganze
Wahrheit sagen wollte. Falls. »Evie ist eine Ausreißerin. Sie gehört jetzt zur Familie.«
Ethan holte sein Handy aus der Tasche. »Ruf sie an. Sag ihr, was mit Caroline ist.«
In diesem Punkt musste Dana über nichts nachdenken. Sie würde Hanover House nicht von seinem Handy aus anrufen.
»Nein, lass nur. Ich mache es, wenn ich im Krankenhaus bin.«
Chicago
Montag, 2. August, 20.15 Uhr
»Erledigt.«
Sue saß auf dem Bett, das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, und lackierte sich die Fußnägel. Nun lächelte sie. »Ich weiß.« Evie – eine leichenblasse, zitternde Evie – hatte die Nachricht weitergegeben. Eine Evie, die auch vor Wut bebte. Sie hatte bereits zum Krankenhaus fahren wollen, als Dana angerufen und ihr befohlen hatte, im Haus zu bleiben. Ruby hatte Evies Seite des Gesprächs mitgehört, und Ruby erzählte Neuigkeiten nur zu gern weiter.
»Du hast mir nicht gesagt, dass sie schwanger ist«, sagte Fred angewidert.
»Doch, habe ich.«
»Na gut, meinetwegen, aber jedenfalls nicht, dass sie kurz vor den Wehen steht.«
Sue grinste.
»Oje. Hast du einen Madonna-Komplex, Fred?«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann: »Treib’s nicht zu weit, Susie. Ich habe
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