Der Rache Suesser Klang
dir deinen Gefallen getan. Jetzt bist du dran.«
»Du hast mir nur einen halben Gefallen getan, Fred. Sie lebt noch. Aber ich bin nett und werde dir deinen Gegengefallen tun. Ich weiß ja, was du willst, und ich kümmere mich morgen drum.« Während sie auf »Arbeitssuche« ging. Sie drehte die Kappe auf den Nagellack und warf das Fläschchen in den Rucksack. »Wir sehen uns am Mittag.«
Ihr Grinsen wurde breiter. Bis Mittag würde sie noch weitere Häkchen auf ihrer To-Do-Liste gemacht haben. Sie wählte Donnie Marsdens Nummer. Es wurde Zeit, die Bühne für das Finale zu bereiten. »Donnie. Ich bin’s.«
»Ich habe langsam schon geglaubt, ich hätte mir dich nur eingebildet. Erzählst du mir jetzt von deinem Plan?«
»Noch nicht, aber es dauert nicht mehr lange.«
Genau dann nämlich, wenn ich bereit dazu bin.
»Hast du die Jungs angerufen?«
»Ja, alle bis auf Vickers. Ich konnte ihn nicht erreichen.«
Das überrascht mich nicht,
dachte Sue mit einem Lächeln. Der Transporter mit Vickers parkte im Wald hinter einer Grundschule. Irgendjemand würde ihn finden – irgendwann.
»Die Jungs wollen mehr Informationen«, fuhr Donnie fort. »Sie haben keine Lust, in eine Falle zu tappen. Kann ich ihnen nicht verübeln.«
»Sag ihnen, dass der einzige Vogel, der in die Falle tappen wird, unsere Zielperson ist.«
»Und wie?«
»Ich habe etwas, das unser Vögelchen wiederhaben will.«
»Und dann?«
Sie wackelte mit ihren frisch lackierten Zehen. Rache, dachte sie, war eine so schrecklich persönliche Sache. »Dann kriegt jeder eine halbe Stunde, um sich auszutoben. Seid so kreativ wie möglich. Ich hatte zehn Jahre Zeit, um darüber nachzudenken. Ihr habt vier Tage.«
Einen Moment lang herrschte Stille. »Bis was?«
»Bis ich meinen Job erledigen kann«, sagte Sue schlicht. »Und das Vögelchen muss wissen, dass ich es bin, die den Job erledigt, also darf es nicht das Bewusstsein verlieren. Alles andere bleibt euch überlassen. Wenn ihr im Voraus plant, könnt ihr aus dreißig Minuten eine halbe Ewigkeit machen.«
»Und was hast du von alldem, Suze?«, fragte Donnie ruhig.
Sie dachte an jeden einzelnen Tag der zehn Jahre, die sie hinter Gittern verbracht hatte. An jeden Geburtstag, an dem ihr das Älterwerden bewusst geworden, an jeden Tag, der fremdbestimmt gewesen war. Sie schnitt eine Grimasse. An jedes Mal, das Fred sie in den Lagerraum geführt hatte, um »ein bisschen zu schmusen«. Die Glut, die in ihren Eingeweiden geschwelt hatte, flammte zu einem alles verzehrenden Feuer auf.
»Ich werde zusehen.«
Chicago
Montag, 2. August, 20.15 Uhr
Dana konzentrierte sich auf die Fahrstuhlanzeige. »Du musst nicht mit mir kommen. Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Das glaube ich dir nicht, aber ich werde nicht mit dir streiten«, erwiderte Ethan schlicht und sah die steile Falte zwischen ihren Brauen. Mit ihr war
nicht
alles in Ordnung. Sie zitterte immer noch von dem Streit, den sie mit Evie gehabt hatte. Sie hatte ihr Mündel von einem Münztelefon in der Eingangshalle des Krankenhauses angerufen und ihm streng befohlen, zu Hause zu bleiben, bevor sie den Hörer wütend auf die Gabel geknallt hatte. Er hätte gern mehr erfahren, und an jedem anderen Tag hätte er versucht, sie auszufragen, aber ihm war klar, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dazu war. Im Übrigen hatte sie ihm versprochen, das nächste Mal von sich selbst zu erzählen, und er hatte die Absicht, sie beim Wort zu nehmen.
Der Fahrstuhl hielt an, die Türen glitten zur Seite, und sie sahen den Empfang der Entbindungsstation vor sich. Als Dana nach Caroline fragte, deutete die Krankenschwester auf das Wartezimmer.
Ethan griff ihren Arm. »Ich werde jetzt gehen, Dana. Ich hatte nicht vor, mich in dein Leben zu drängen, ich wollte mich nur vergewissern, dass mit dir alles in Ordnung ist.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange und war bereits einen Schritt zurückgewichen, als sie den Arm ausstreckte und ihn am Revers festhielt.
»Bitte bleib«, murmelte sie. »Ich weiß, dass du weg musst, aber wenn du nur noch ein oder zwei Minuten bei mir bleiben könntest, dann wäre ich sehr froh.«
Ihre Stimme war ruhig gewesen, aber unterschwellig lag darin eine so dringende Sehnsucht, dass er dem nichts entgegenzusetzen hatte. Ethan zog sie in seine Arme und hielt sie fest. Sie klammerte sich an ihn, schweigend, packte so fest zu, dass es ihm beinahe wehtat. Endlich ließ sie ihn wieder los, holte bebend Atem und sah zu ihm auf.
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