Der raetselhafte Kunstraub
hatte bisher der Frau des Fleischermeisters Karfunkel drüben in der Damenabteilung den Kopf gewaschen und ihr dann die Dauerwelle gelegt. Sie kam jetzt an die Tür und steckte ihren semmelblonden Pferdeschwanz durch den Vorhang. Unter ihrem weißen Friseurmantel guckten ziemlich verwaschene Blue Jeans heraus. Eigentlich wäre sie viel lieber ein Junge gewesen, wie ihr Bruder. Aber daran war ja jetzt nichts mehr zu ändern.
„Kann ich etwas für Sie tun, Frau Kalender?“ fragte Cornelia. „Kommen Sie zu mir?“
„Danke, Corny, aber heute hole ich nur meinen Mann ab“, erklärte Frau Kalender. „Wir wollen uns endlich eine Waschmaschine kaufen. Und so etwas macht man am besten zu zweit.“
Der Polizeimeister suchte inzwischen nach einem Trinkgeld für Fritz. Dann nahm er sein Koppel vom Kleiderhaken und marschierte zur Kasse. „Was macht es, mein schönes Kind?“
Cornelia Treutlein lächelte: „Drei Mark fünfzig, bitte.“
Da flog die Ladentür auf.
„Buenos dias, hombres!“ rief Salvatore Ambrosi mit seiner Opernsängerstimme und warf beide Arme in die Luft. Anschließend küßte er Frau Kalender die Hand. Dabei sagte er: „Meine Verehrung, gnädige Dame.“ Den Polizeimeister grüßte er mit einer Verbeugung: „Commandante, ich hoffe, es Ihnen geht vorzüglich!“ Fritz Treutlein drehte im Sessel gerade das Sitzkissen um, das vom Gewicht des Polizeimeisters ziemlich plattgedrückt war.
„Rasieren und schneiden die Bart, junger Mann“, kommandierte der Südamerikaner. Er war mit drei oder vier Schritten mitten in der Herrenabteilung. Dort drehte er sich noch einmal um und warf der Frau des Polizeimeisters einen Handkuß zu: „Wunderbar, wie Sie heute wieder sehen aus. Und Ihr Hut, eine Traum!“ Damit ließ sich Herr Ambrosi in den Sessel fallen.
Frau Kalender lachte und rief: „Was Ihnen so alles einfällt!“
Der Polizeimeister hatte inzwischen bezahlt und steckte gerade wieder das Wechselgeld ein.
„Bis zum nächstenmal!“ sagte Cornelia Treutlein. Sie ging voraus und machte die Tür auf.
Frau Kalender konnte sich gar nicht beruhigen. „Ein verrücktes Huhn!“ gluckste sie und blickte unter dem breiten Hutrand hervor noch einmal zu dem Südamerikaner hinüber.
Dort klatschte Fritz Treutlein Herrn Ambrosi bereits seine Seife ins Gesicht. „Sie bringen mir meinen ganzen Mittwoch durcheinander“, klagte er dabei. „Ich habe heute lauter Voranmeldungen.“
„Ist mir egal“, entgegnete der Südamerikaner nur und streckte seine Beine weit von sich.
„Wie Sie meinen“, brummte Fritz Treutlein. Er seifte weiter und hielt im übrigen den Mund. Ein paar Minuten war es ganz still im Geschäft.
Als Fritz Treutlein gerade dachte, daß jetzt eigentlich gleich Herr Bemmelmann aufkreuzen müßte, ging tatsächlich auch die Tür auf. Aber anstelle des Zigarrenhändlers kam Hauptschriftleiter Kubatz herein.
„Ja, ist denn heute alles verrückt?“ schoß es Fritz Treutlein durch den Kopf. Fast gleichzeitig sagte er: „Guten Tag, Herr Kubatz. Hoffentlich haben Sie ein paar Minuten Zeit mitgebracht?“
„Eigentlich nicht“, antwortete der Hauptschriftleiter der Bad Rittershuder Nachrichten. „Deshalb komme ich heute auch eine halbe Stunde früher. Wir haben nämlich - Oh, Salvatore Ambrosi, was für ein Zufall!“
Herr Kubatz hatte jetzt erst unter dem Seifenschaum das Gesicht des Südamerikaners entdeckt.
„Buenos dias“, grüßte der Eingeseifte.
„Ich war gerade im Begriff, bei Ihnen vorbeizufahren“, sagte der Hauptschriftleiter. „Und jetzt finde ich Sie hier. Das trifft sich ja blendend, großer Meister. Es geht um diesen Kunst-Wettbewerb. Ich möchte da heute noch etwas schreiben, damit es morgen früh in der Zeitung steht. Darf ich ein paar Fragen stellen?“
Señor Ambrosi erlaubte es gnädig.
Herr Kubatz ließ sich einen Kugelschreiber geben und kramte gleichzeitig eine alte Schneiderrechnung aus der Tasche. Richtige Zeitungsleute haben grundsätzlich nie etwas zum Schreiben bei sich.
Dann wandte er sich an den Südamerikaner: „Wie lange sind Sie eigentlich schon in Bad Rittershude, großer Meister?“
Als der Hauptschriftleiter gerade seine neunte Frage stellte, kam Zigarrenhändler Bemmelmann durch die Tür. Er grüßte die Frau des Fleischermeisters Karfunkel, die gerade an der Kasse ihre Dauerwellen bezahlte.
Fünf Minuten später kam der zweite Vorsteher vom Standesamt. „Heute geht’s ja hier zu wie beim Zahnarzt“, stellte er fest. Er setzte sich
Weitere Kostenlose Bücher