Der raetselhafte Kunstraub
Herrn Lohmeier. Es war reiner Zufall, daß er heute selbst den Chauffeur spielte.
Inzwischen war die Sitzung im zweiten Stock wieder in Fahrt gekommen. Dr. Semmelroth hatte die Sache in die Hand genommen, kaum, daß er sich gesetzt hatte. Er hatte eine dicke Zigarre im Mund und dampfte wie eine Lokomotive. Kurz vor Mitternacht war es dann soweit. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und sagte durch seinen Zigarrenrauch hindurch: „Gott sei Dank, das hätten wir.“
Kaum drei Minuten später rannte Haupt -schriftleiter Kubatz an dem Polizeimeister Kalender vorbei, hechtete in sein knallrotes Cabrio und flitzte los. Schon an der Kurve zur Hauptstraße war sein Tempo polizeiwidrig.
Bei den Bad Rittershuder Nachrichten ging es dann drunter und drüber. Die Rotationsmaschine war startbereit wie eine Rakete in Kap Kennedy. Nur die erste Seite fehlte noch. Hauptschriftleiter Kubatz kam im Laufschritt in den Maschinensaal. „Hier habt ihr die Schlagzeile“, rief er und knallte dem Montagemeister ein Blatt aus seinem Notizbuch auf den Tisch. Anschließend diktierte er seinen Artikel direkt in eine Setzmaschine. Eine knappe Stunde später fielen die ersten Zeitungen aus der Rotationsmaschine wie frischgebackene Brötchen.
Aber um diese Zeit lag Hauptschriftleiter Kubatz bereits todmüde in seinem Bett. Er wachte erst wieder auf, als die Sonne schon in sein Schlafzimmer schien. „Es muß schon Mittag sein“, dachte er und zog das Kissen über die Augen. Sein Schlafzimmer lag auf der Südseite.
In Wirklichkeit war es aber schon später. Im Prinz-Ludwig-Gymnasium hatten die Schüler nämlich schon den Vormittagsunterricht hinter sich.
Auch heute war wieder ein Wetterchen wie aus dem Bilderbuch. Keine Wolke am Himmel, und die Sonne flimmerte nur so vor Hitze. An so einem Tag war das ganze Prinz-Ludwig-Gymnasium eigentlich immer so schnell wie möglich im Freibad.
Heute war das anders.
Der größte Teil der Schüler versammelte sich im Hof bei den abgestellten Fahrrädern. Ohne Parole und ohne Aufforderung. Sie waren einfach da.
Selbstverständlich hatten die meisten inzwischen die erste Seite der Bad Rittershuder Nachrichten gelesen. Die fett gedruckte Schlagzeile hieß übrigens: Alle sind eingeladen.“
„Das bedeutet, daß sich beteiligen kann, wer will“, stellte Hans Pigge fest. „Dagegen ist nichts einzuwenden, das ist o. k.“
„Und es hat noch den Vorteil“, bemerkte Emil
Langhans, „daß dadurch die Konkurrenz für unseren Freund Ambrosi größer wird.“
„Und seine Chance kleiner“, grinste ein Junge aus der 10a.
„Ich lese mal vor, was wir von den Bedingungen zu dem Wettbewerb wissen müssen“, sagte jetzt Paul Nachtigall. Die heutige Ausgabe der Bad Rittershuder Nachrichten lag quer über der Lenkstange eines Fahrrades vor ihm. „Bis zum 6. August müssen die Werke, die sich um die Preise bewerben, zusammen mit einem einwandfrei verschlossenen Briefumschlag im Rathaus sein. In diesem Briefumschlag haben sich der Name und die Adresse des jeweiligen Künstlers zu befinden. Bei der Ablieferung müssen die Namen der Bewerber anonym bleiben, das heißt, daß kein Absender anzugeben ist. Bei der Ausstellung im Saal des Rathauses haben die Bilder und Skulpturen dann lediglich eine Nummer. Bei der öffentlichen Abstimmung am letzten Tag der Tausendjahrfeier, die allein über die Gewinner entscheidet, wählt man also die Nummer des Kunstwerks, das einem am besten gefällt. Wahlberechtigt sind alle Einwohner von Bad Rittershude ab dem vollendeten achtzehnten Lebensjahr.“
Die Schüler buhten, und ein paar pfiffen durch die Finger.
„Ruhe“, rief Paul Nachtigall. „Eins nach dem andern. Zuerst noch die Preise, die ausgesetzt sind. Von den zehntausend Mark bekommt der Gewinner die Hälfte. Der zweite bekommt dreitausend Mark und der dritte zweitausend. Soweit die Bedingungen.“ Er faltete die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Tasche.
Anschließend wurde eine Menge durcheinandergeredet. Leider war viel Unsinn dabei, weil manche sich einbildeten, sie müßten unbedingt auch etwas sagen.
„Das ist alles kompletter Quatsch“, stellte Emil Langhans schließlich fest. „Machen wir uns doch nichts vor, diese Abstimmung ist genau das gleiche wie irgendeine Wahl. Und wenn wir wollen, daß unser Freund Salvatore Ambrosi in die Röhre guckt, müssen wir dafür sorgen, daß er möglichst wenig Stimmen bekommt. Das ist der springende Punkt.“
„Also ein Wahlkampf gegen den
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