Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
gehabt, dass etwas Spezielles am Teufel war, etwas, das man nur schwer erfassen, mit bloßem Auge nicht sehen und mit den Händen nicht fühlen konnte. Als hätte sich eine Wüste oder ein Ozean oder eine sternenklare Nacht verkleidet und einen Bart wachsen lassen. Man gewöhnte sich daran, wenn man mit dem Teufel unterwegs war, aber es war trotzdem da, allgegenwärtig.
Bis jetzt.
»Drei ganz gewöhnliche Tage«, sagte der Teufel und zuckte mit Schultern, die unvermittelt schwach und vergänglich aussahen.
Er wirkte bereits ein wenig nervös, jedenfalls in Daughterrys Augen.
Er überlegte, ob er die Wette abbrechen und die Bierflasche wieder auspacken sollte, als eine Abteilung konföderierter Soldaten aus dem Wald marschiert kam.
Daughterry wurde der Mund trocken. In drei Jahren hatten sie nur selten lebende Truppen im Feld gesehen. Er spürte seine eigene Sterblichkeit ein wenig stärker, als ihm lieb war, als er die Aufmerksamkeit des Teufels auf die heranrückenden Rebellen lenkte.
»Komm, wir werfen alles in den Wagen und machen, dass wir verschwinden«, schlug er vor, bemüht, wie ein erfahrener Mann zu klingen. »Wir können das Geschirr später abwaschen und einräumen.«
Die Straße hinunter erklangen ein Pfiff, ein lauter Ruf und das Geräusch galoppierender Pferde. Unionstruppen tauchten wie aus dem Nichts auf und richteten ihre Waffen auf die Rebellen.
Eine Wolke aus blaugrauem Rauch erschien lautlos vor den Soldaten. Einen Augenblick später erreichte sie das Geräusch von Schüssen.
Minié-Geschosse zischten durch die Luft.
Ziiip! Zipp! Zip-zipp! Ziiiiiip!
Eine Kugel jagte durch die rollende Dunkelkammer.
Fern wurde von einem Geschoss getroffen und war auf der Stelle tot.
Die Rebellen gingen zum Gegenangriff über und brachten ihre Waffen in Anschlag.
»Gottverdammt!«, murmelte Daughterry und starrte entgeistert auf den armen toten Fern. Millie war in Panik geraten und in ein flaches Tal hinter einem Lattenzaun verschwunden. Wenn sie dem Unheil aus dem Weg gehen wollten, mussten sie es zu Fuß versuchen.
Daughterry drehte sich zum Teufel um und stellte fest, dass er allein war.
Dann erspähte er den Teufel ein gutes Stück die Straße hinunter, Arme und Beine ein undeutlicher Schatten. Hals über Kopf stürmte er in Richtung einer kleinen Ortschaft, deren Dächer in einer Meile Entfernung über die Baumwipfel ragten. Daughterry folgte ihm im Trab, eine Hand an seinem Zylinderhut, in der anderen ein weißes Taschentuch, mit dem er wild winkte. Er wollte links an den Unionstruppen vorbei, die sich nun zurückzuziehen schienen, nachdem sie den Feind mit ihrer Salve begrüßt hatten.
Wenn Daughterry sich nicht irrte, lautete der Name der Ortschaft Gettysburg.
***
Normalerweise dachte der Teufel sehr viel nach. Beispielsweise darüber, wie er aussah und welchen Eindruck er bei seinem Gegenüber erweckte. Er dachte an Himmel und Erde und was es bedeutete, ein Tier zu sein oder ein Mensch. Er dachte darüber nach, was er als Nächstes sagen würde und wie es vom Empfänger aufgenommen wurde. Er dachte darüber nach, was sich die Leute über ihn erzählten.
All dies, zusammen mit jedem anderen Gedanken, war nun in einer Art Abstellkammer gelandet. Das Leben des Teufels war mit einem Mal konzentriert auf ein einziges heißes Ziel: nicht von einer der vielen Kugeln getroffen zu werden, die durch die Luft zischten.
Er rannte um die Unionstruppen herum, über eine Straße, durch ein Wäldchen und an einer Häuserreihe vorbei, bis er zu einem Garten hinter einem hübschen Jägerzaun gelangte. In dem Garten standen Sonnenblumen.
Der Teufel warf sich mitten hinein in die Blumen, vergrub das Gesicht zwischen den Knien und murmelte immer wieder leise: »Oh nein. Nein, nein, nein.«
***
Es bedurfte einigen Aufwands, doch Daughterry fand ihn schließlich in seinem Versteck zwischen den Sonnenblumen. Er zitterte am ganzen Leib, und seine Augen waren weit aufgerissen. Der Fotograf, ein kluger Sterblicher, hatte den Drang niedergerungen, Hals über Kopf zu fliehen, und sich stattdessen darauf konzentriert, der Spur des Teufels zu folgen, einen Schritt nach dem anderen. Er war der nackten, aufgewühlten Erde bis zum Rand des Gartens gefolgt und teilte nun die Sonnenblumenstängel.
»Da bist du ja!«, rief er.
Beim Klang von Daughterrys Stimme sprang der Teufel zwischen den Sonnenblumen hervor und verschwand durch eine nahe Kellertür unter die Erde.
Daughterry folgte ihm geduldig, getrieben von
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