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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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einem gewissen Schuldgefühl. Dass er unmöglich hatte wissen können, dass sie im unpassendsten Moment mitten zwischen die Blauen, die Unionstruppen des Nordens, und die Grauen, die Konföderierten des Südens, stolpern würden, änderte nichts daran. Und obwohl es sicherlich genügend Leute gab, die eine Chance, den Teufel mit einem simplen Minié-Geschoss oder einer Kanonenkugel zu töten, für einen Segen gehalten hätten, kannte Daughterry John Scratch inzwischen lang genug, um zu wissen, dass göttliche Gerechtigkeit sehr wahrscheinlich nicht so simpel war.
    Er war nicht böse, der Teufel, auch wenn er manchmal böse Dinge tat.
    Er war auch nicht gut, weiß Gott nicht, auch wenn er manchmal gute Dinge tat.
    Wenn überhaupt, schien er der Ansicht zu sein, dass die Welt tun sollte, wonach ihr war, weil es natürlich war, und weil alles Natürliche in Ordnung und die Frage nach Gut oder Böse töricht war. Daughterry respektierte diese Einstellung, mochten die Gründe des Teufels nun selbstsüchtig sein oder nicht.
    Er setzte sich an den Fuß der Kellertreppe. »Hey«, flüsterte er.
    Nichts. Vielleicht ein paar Mäuse, die auf Zehenspitzen umherrannten und kleine Kothäufchen hinterließen.
    Dann, genauso leise, eine kleinlaute Stimme.
    »Wir werden sterben«, sagte die Stimme.
    »Vielleicht«, sagte Daughterry. »Vielleicht auch nicht.«
    Wimmern.
    Weit entfernt dumpfe Schläge, hörbar durch die Luft und spürbar im Boden. Kanonenschüsse.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, wie es ist, so verwundbar zu sein …«, flüsterte der Teufel. »Wer auch immer den Teil des Gehirns erfunden hat, der dich Angst spüren lässt, sollte auf der Stelle erschossen werden. Er ist völlig nutzlos, aber ich schwöre dir, die Angst bringt mich verdammt noch mal um!«
    »Du kennst andere Gefühle. Du hattest früher schon Gefühle, und du weißt, wie stark sie sein können.«
    Der Teufel runzelte die Stirn. Pocahontas hatte sich genau darüber beschwert: die Intensität der Gefühle, die mit dem Menschsein einhergingen.
    Es war der einzige Gedanke, der den Teufel halbwegs von seiner Angst ablenken konnte. Doch er lenkte ihn nicht lange ab.
    »Wie kommt es, dass du dich nicht fürchtest?«, fragte er Daughterry.
    »Aber ich habe Angst! Ich habe mich vollgepinkelt vor Angst!« (Hatte er tatsächlich.)
    Rumms! Rumms! Die Artillerieeinschläge kamen näher, wie ein heranstapfender Riese.
    »Ich nicht«, sagte der Teufel.
    »Du tapferer Kerl.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich gestanden – nein.«
    In diesem Moment ließ die Kanonade den Boden erzittern. Putz und Dreck rieselten von der Decke. Der Teufel rollte sich zusammen und gab Geräusche von sich wie ein krankes Kätzchen.
    Daughterry fragte sich, wann die Besitzer des Hauses auftauchen würden. Früher oder später würden sie Schutz suchend durch die Falltür an der Seite des Hauses in den Keller geflüchtet kommen.
    Die Schlacht schien sich der Stadt zu nähern. Der Keller erzitterte von Neuem.
    Die Bewohner des Hauses kamen nicht.
    ***
    Das Zittern wurde schlimmer und schlimmer.
    Oben zerbarst Glas.
    Peng! Krack! Musketenfeuer.
    Der Teufel setzte sich halb auf. »Es gibt nichts, überhaupt nichts, was diese Granaten daran hindern könnte, die Decke zu durchschlagen und hier unten direkt in unseren Gesichtern zu explodieren«, sagte er mit tonloser Stimme.
    »Stimmt«, pflichtete Daughterry ihm bei.
    Der Teufel nahm es nicht besonders gefasst auf.
    Daughterry war ein guter Mann und ein guter Freund. Er erzählte niemandem, erwähnte es nicht mal in seinem Tage-
buch, dass er gesehen hatte, wie der Teufel sich den Daumen in den Mund gesteckt hatte, um daran zu saugen wie ein kleiner Junge.
    ***
    Das Krachen der Einschläge, das Erzittern der Fundamente, das Knallen der Schüsse und das Schreien entfernten sich langsam wieder aus der Stadt, wie eine zurückweichende Flut.
    Dann kam ein Zeitpunkt, als Daughterry glaubte, mit dem Teufel über die eine oder andere Sache reden zu müssen.
    »Hey«, flüsterte er halblaut durch den Keller.
    »Ja?«, antwortete der Teufel.
    »Ich hasse es, das Thema zur Sprache zu bringen.«
    »Was für ein Thema?«
    »Der Wagen. Unser Wohnwagen.«
    »Was ist damit?«
    »Sie haben ihn mitgenommen.«
    Schweigen.
    Der Boden erzitterte.
    »Du meinst, jemand hat unseren Wagen mitgenommen?«, sagte der Teufel. »Den Wagen mit der Dunkelkammer und den Glasplatten und unserem Essen und unseren Sachen?«
    Der Teufel schien sich in die Hocke erhoben zu haben. Seine Augen

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