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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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vorEhrfurcht erschauere angesichts der Meisterschaft dieser Steinmetze und Transportingenieure. Hunderte von Einheimischen hatten sich am Ufer des Nil versammelt, um zu sehen, wie das Schiff sinkt, auf welches wir die ungeheure Last legten, aber es hielt stand und beförderte unseren Memnon nach Kairo. Und nun steht er hier.« Der italienische Koloß verbeugte sich vor seinem noch weitaus kolossaleren Fund wie ein Impresario, und die Menge applaudierte.
    »In Theben vergißt der Reisende alles, was er bisher gesehen haben mag«, fuhr der Ausgräber fort. »Gen Himmel strebende, die Palmenhaine weit überragende Ruinen, ein Wald von Säulen, Obelisken, Kolossen, Sphingen, Portalen – mir schien es, als ob ich eine Stadt der Giganten betrete. Unentwegt beschäftigte mich der Gedanke, wie es möglich war, daß eine Nation, die einst so herrliche Bauten hervorgebracht hat, so weit in Vergessenheit geraten konnte, daß uns ihre Sprache und Schrift vollkommen unbekannt sind.«
    Ravenglass warf einen fragenden Blick zu Thomas Young, der neben dem Ausgräber stand, was jener bemerkte und sofort zum Anlaß nahm, seine Behauptung zu revidieren.
    »Ich meine, jahrhundertelang vollkommen unbekannt waren «, schränkte er ein. »Nun, da unser geschätzter Professor Young die ersten Schritte unternommen hat, befinden wir uns am Beginn der Neuerschließung der Sprache Ägyptens. Mit größter Befriedigung darf ich darauf verweisen, daß Mister Young mit Hilfe meiner Zeichnungen entziffern konnte, daß das Königsgrab, in welches wir nun eintreten, Pharao Psammetich geweiht war. Es ist das erste Mal, daß Hieroglyphen genau erklärt werden konnten, und Mister Young hat mit seinem System bewiesen, daß er den richtigen Schlüssel zur Entzifferung gefunden hat.«
    Einige der Anwesenden murmelten beifällig, und Young lächelte geschmeichelt.
    Danach betraten die Besucher die Grabanlage. Die Räume waren nur schwach beleuchtet, so daß sich der Betrachter gleichsam in die Rolle des Entdeckers versetzt sah, der das Grab im Fackelschein erstmals betritt. Staunend musterten die Londoner farbenprächtige Zeichnungen und Hieroglypheninschriften,letztere so malerisch ausgeführt, daß man den Eindruck gewinnen konnte, durch ein überdimensioniertes, reich illustriertes Buch zu laufen. Jedes Stück Fläche der Wände und Stützpfeiler war gestaltet; man sah den Herrscher bei verschiedenartigen Verrichtungen, man sah farbenfrohe Völkerprozessionen, flügelausbreitende Göttinnen, kronentragende Falken und immer wieder bildhaft gestaltete Hieroglyphen.
    Belzoni ließ den Eindruck wirken und wartete lange, bis er sich wieder zu Wort meldete. »Stellen Sie sich vor«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »Sie treten aus Staub und Hitze in diese stumme, erhabene Prachtentfaltung. Hier hielt Pharao seinen Ewigkeitsschlaf, umgeben von Schätzen, über die wir uns nur noch vage Vorstellungen machen können. Nachdem wir den Eingang gefunden hatten, der etwa sechs Meter unter der Erdoberfläche lag, bedeckt von meterhohem Schutt, gelangten wir in einen langen Felsentunnel, der hinabführte und an dessen Ende sich ein tiefer Schacht befand – vielleicht, um Grabräuber abzuschrecken, vielleicht, um eindringendes Regenwasser zu sammeln. Eine massive Steinplatte verschloß Psammetichs letzte Ruhestatt. Hinter ihr stießen wir auf Kammern, eine prächtiger als die andere, in ewiger Dunkelheit ruhend, aber die Bilder an den Wänden wirkten so frisch, als hätten die Handwerker kurz vor uns die Gruft verlassen und versiegelt. Mein Lebtag werde ich diesen Moment nicht vergessen.«
    Belzoni verstummte. Diesmal blieb Beifall aus; der Ort wirkte zu intensiv auf die Anwesenden, als daß sie ihn durch lautes Geräusch hätten entweihen mögen. Ein Mitglied der Society of Antiquaries, der den Einlasser machte, raunte dem Italiener zu, er könne den nächsten Schub Neugieriger nicht länger zurückhalten, und der Hüne bedeutete den Anwesenden, ihm in den nächsten Teil der Ausstellung zu folgen.
    Vorbei an allerlei kleinformatigeren Fundstücken und einer Reihe von Mumien ging es nun in den dritten Saal, in dem der Abenteurer anhand von farbigen Zeichnungen die wichtigsten Etappen seiner Ausgrabungs- und Entdeckungsreise dokumentiert hatte. Die beeindruckende Tempelanlagevon Abu Simbel war dort zu sehen, zunächst, wie die Entdecker sie vorgefunden hatten – von den gewaltigen vier Sitzstatuen zu beiden Seiten des Tores ragten nur die Köpfe aus dem Sand –,

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