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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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dachte er sich. Die beiden Anfangszeichenund, die er als PT erkannt hatte, wiederholten sich im titularischen Anhängsel des Namens ja noch einmal, und in der griechischen Übersetzung hieß es: »Ptolemaios, ewig lebend, geliebt von Ptah«. Ptah! Er schlug sich vor die Stirn. Der Name des Gottes fing ja auch mit PT an! Das Geier-A freilich fehlte, aber Ptah war ein alter ägyptischer Gott, der gewiß in der ursprünglich vokallosen Art geschrieben wurde. Der Papyrus des alten Zauberers Jacqou fiel ihm wieder ein. Das Henkelkreuz darauf hatte er als Zeichen des Lebens identifiziert, welches gemeinsam mit der Folge

    »ewig lebend« bedeuten mußte. Die restlichen Zeichen begannen mit PT und hießen zweifellos »geliebt von Ptah«.
    Wenn Louise wüßte, daß ich in Paris sitze und soeben das erste ägyptische Wort gelesen habe, den Namen des Gottes Ptah! schoß es Jean-François unvermittelt durch den Kopf. Er sah sich nun doch wieder mit ihr durch die Abbaye aux Bois schlendern, sah ihre unergründlich blauen Augen, die Grübchen an ihren Mundwinkeln, hörte sie lachen und hörte den Zeitungsjungen rufen: »Das Geheimnis der Hieroglyphen ist gelüftet!« Er sah die Abschiedszene in der Wohnung Cambrys, der tot auf seinem Bett lag, sah sich vor ihr knien, sah sie fortgehen, und diesmal ließ er es zu, daß sich der alte,nie wirklich abgeebbte Schmerz in seiner Brust zurückmeldete. Louise! dachte er, du weißt es aber nicht und wirst es wahrscheinlich nie erfahren, obwohl ich gelobt habe, um deinetwillen das Geheimnis zu lüften.
    Gedankenverloren ergriff er das nächste der Blätter, die ihm Denons Bote gebracht hatte. Es waren Inschriften auf dem Tempel von Abu Simbel, viele Namenskartuschen darunter, lange und kürzere, wobei, ähnlich wie im Falle des Ptolemaios, eine Art Zeichenkern existierte. Diese kürzeste Fassung sah so aus:

    Die runde Scheibe, das könnte die Sonne sein. Und den Haken oder das gefaltete Stück Stoff oder was immer jene Hieroglyphe darstellte, die hier doppelt stand, kannte er aus den Namen des Alexander und des Ptolemaios als den Buchstaben S. Auf einem anderen Blatt erblickte er Namensringe, in denen dieselbe Zeichenfolge auftauchte; diesmal stand die Hieroglyphe des Ibis an ihrer Spitze.

    Der Ibis, das wußte er von den antiken Autoren, war der heilige Vogel des Gottes Thot.
    Da schoß es ihm wie Feuer durchs Gehirn.
    Er begann zu zittern, erhob sich, mußte sich am Schreibtisch stützen, rang nach Luft. »Mein Gott«, stammelte er, die Augen wie schreckgeweitet auf die Papiere gerichtet. Dann entrang sich ein gequälter Schrei seiner Brust, halb Schmerzgestöhn, halb Triumphgeheul; er ließ den Tisch los und sank sofort zurück auf den Stuhl, Schweißperlen auf der Stirn, sein Herz raste. Ihn schwindelte.
    Es war falsch, die Alten nicht ernst zu nehmen; sie irrten nicht etwa allesamt, wie er zuletzt dachte, sondern sie hatten alle gleichermaßen recht, jeder ein bißchen: Plutarch mit seinem Alphabet ebenso wie Diodorus von Sizilien mit seiner Bilderschrift, vor allem aber Clemens von Alexandrien, den er komplett verworfen hatte. Heiliger Clemens, verzeih mir!Wie hatte der Alexandriner geschrieben: Die Hieroglyphen seien entweder unmittelbar zu lesen oder als Lautzeichen oder symbolisch! Das war es! Das Oder !
    Jean-François konnte nicht länger ruhig sitzen, eine wüste, ungekannte Kraft trieb ihn fort. Das Schwindelgefühl verschwand, sein Kopf klarte auf, und ein einziger Gedanke hämmerte darin, immer schärfer werdend, wie das Eisen mit jedem Hammerschlag des Schmiedes an Kontur gewinnt. Er raffte seine Kladden zusammen, klemmte den Papierstapel unter den Arm, fuhr in seine Stiefel und lief los, so, wie er war, im Nachthemd, mit dem mottenzerfressenen Morgenmantel darüber; er rannte, nein: schwebte die Treppe hinunter, hastete die Rue Mazarin hinauf zum Fluß, nahm nicht wahr, daß sich die Leute auf der Straße nach dem Menschen in diesem merkwürdigen Aufzug umdrehten. Der Wind fuhr unter den Morgenmantel und blies ihn in die Höhe, Straßenkot spritzte an sein Nachthemd, aber er beachtete es nicht. Er überquerte den Pont des Arts, der zwischen dem Institut de France und dem Louvre die Seine überspannte. Es war früher Nachmittag, der Himmel stand noch stärker bewölkt und düster über Paris. Auf dem Fluß glitten in diesem Moment vier Lastkähne unter dem Pont Neuf hindurch und steuerten ebenfalls den Louvre an. Sie trugen Belzonis riesige Kopien des Felsengrabes, das der

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