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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Adresse, hier, auf dieser Karte.«
    Jean-François zog das Papier aus der Rocktasche und hielt es dem berühmten Mann hin. Denon nahm es, warf einen kurzen Blick darauf und sagte: »Das ist in der Tat meine Handschrift. Und Sie heißen Champollion?«
    »Ja, Monsieur, und Sie bemerkten damals, dieser Name ließe sich leicht merken, denn er sei eine Kombination aus Champagner und Napoleon.«
    Denons Knittergesicht hellte sich auf. »Jetzt erinnere ich mich«, rief er. »Das Wunderkind! Der ägyptophile Knabe, der sich selbständig die alten Sprachen beigebracht hat! Aber ja! Und nun sind Sie hier in der Hauptstadt – um zu studieren, wie ich vermute?«
    Jean-François nickte.
    »Bei Sacy?«
    »Unter anderem, ja.«
    »Das ist gut, gerade in einer Zeit, wo das Gros von Frankreichs akademischer Jugend mit geschultertem Gewehr durch Europa marschiert und sich nur noch Möbeltischler und Türknaufhersteller um Ägyptens Altertümer kümmern, indem sie ihre Erzeugnisse mit Motiven aus dem Pharaonenreich verzieren. Oder sollte ich verunzieren sagen?«
    Denon bot seinem Gast einen Stuhl an und nahm selbst wieder auf seiner Chaiselongue Platz. »Erzählen Sie«, sagte er, »wie gefällt Ihnen Paris?«
    »Ich weiß nicht recht. Ich habe noch nicht viel von der Stadt gesehen.«
    »Wie schade!«
    »Nun, wissen Sie, ich habe viel mit meinen Studien zu tun, und ansonsten kenne ich niemanden hier.«
    »Dann sitzen Sie, ein Mensch in der Blüte seiner Jugend, abends allein in Ihrer Pension über den Büchern?«
    »Ja, deshalb bin ich ja hier.«
    »Das ist sehr löblich. Und Sie haben noch keine Damenbekanntschaften gemacht?«
    »Monsieur!«
    Jean-François war blaß geworden bei dieser Frage. Er mußte sofort an den Bettelbrief denken, den er direkt nach seinem Fiasko im »Blauen Zifferblatt« seinem Bruder geschickt hatte. Die blanke Not hatte ihm die Feder geführt; er besaß kaum noch Geld, um sich Lebensmittel zu kaufen, und die nächste Mietrate war ebenfalls fällig. Da er Jacques-Joseph unmöglich mitteilen konnte, was wirklich passiert war, und um keinen Preis einen gewissen Damenschal zum Trödler bringen wollte, log er, daß ihn die Neuerwerbung zahlreicher unentbehrlicher Bücher sowie sein allzu weichesHerz in eine pekuniäre Notlage versetzt hätten; letzteres insofern, als ihn der Anblick der Bettler, welche zu Dutzenden die Pariser Straßen säumten, mitleidig gestimmt und über seine Mittel hinaus zum Almosengeben veranlaßt habe, bis er feststellen mußte, daß er bald selbst zu den Bedürftigen zählen werde. Nun fürchte er Gendarmerie, Pfändung, Schuldhaft – und so fort. Ihm war elend zumute gewesen, als er den Brief aufgab. Noch nie hatte er den Bruder belogen, und er schwor sich, daß es nie wieder so weit kommen dürfe.
    Denon indes wirkte plötzlich sehr jugendlich, warf den Kopf nach hinten und lachte faunisch: »Tun Sie nicht empört. Wir sind in Paris!« Er nahm eine kleine Porzellanschale vom Tisch und hielt sie seinem Gast unter die Nase. »Mögen Sie probieren? Das ist Cotignac, Quittenpaste aus Orléans, ein hinreißendes Naschwerk.«
    Als sein Gast sich nach kurzem Zögern bedient hatte, lehnte sich Denon in das Polster zurück, legte einen Arm leger über die Rückenlehne und sagte, während er das Konfekt genießerisch im Mund zergehen ließ: »Sosehr ich die Gelehrsamkeit schätze, mich stört doch die asketische Aura, mit der sie sich umgibt. Ein junger Mann, der nur über den Büchern hockt – das, mit Verlaub, gefällt mir nicht. Am Ende werden Sie blaß, die Brust fällt ein, der Atem geht schwer, und die Knochen verkümmern. Seien Sie kein Narr, und genießen Sie den Ort, an den Sie das Glück und Ihr Talent verschlagen haben. Dann studiert es sich auch besser, glauben Sie mir.«
    Jean-François schwieg, obwohl er die Worte des Abenteurers und Lebemannes wie Balsam empfand.
    »Nun gut«, fuhr Denon in seinem angenehmen Plauderton fort, »Sie ziehen also das einstige Leben am Nil dem augenblicklichen in Paris vor. Was ist das Ziel Ihrer Forschungen? Eine Professur?«
    »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht. Wer schon als Knabe tote Sprachen lernt, hat einen Traum. Erzählen Sie mir Ihren. Ich werde es niemandem weitersagen.«
    »Entschuldigen Sie, ich halte es für vermessen, als Student im ersten Jahr von Träumen zu reden …«
    »Ganz und gar nicht«, entgegnete Denon mit Entschiedenheit. »Wer nicht träumt, wird am Ende bloß Professor. Und Sie

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