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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Stirn und sagte mit Schmollmund: »Aber der paßt nicht zu Austern.«
    »Pardon, ich wußte nicht, daß Sie Austern bestellen wollten«, stammelte Jean-François verunsichert.
    »Sie haben mich auch nicht gefragt«, entgegnete sie, »aber das macht nichts, trinken Sie ruhig den Roten.« Dann rief sie dem Wirt hinterher: »Für mich Champagner!«
    »Eine Flasche, Mademoiselle?«
    »Eine Flasche!«
    Kaum ist ihre Begleiterin weg, blüht sie auf, dachte Jean-François und wünschte sich, die andere möge lange fortbleiben. Der Wirt kam mit den Getränken, Jean-François bestellte auf Virginies Geheiß Austern, Lammbraten und Schwarzwurzeln – den aus Spanien stammenden sogenannten »Spargel des kleinen Mannes«, der im Gegensatz zu seinem berühmten Verwandten auch im Winter wuchs – und fühlte sich elend, als er an seine Barschaft dachte, die angesichts des opulenten Mahles um ein Empfindliches, wenn nicht gar bis zur Neige schrumpfen würde. Sie stießen an. Der Wein schmeckte umwerfend, und noch umwerfender fand er ihr Dekolleté, das sich einladend mit jedem Atemzug hob.
    »Wie mundet Ihnen der Champagner?« begann er das Gespräch.
    »Danke«, erwiderte sie. »Und wie ist der Wein?«
    »Großartig.«
    »Ich verstehe nichts von Wein, aber am Gesicht von Pascal –
    ich meine, am Gesicht des Wirtes habe ich gesehen, daß er gut und teuer sein muß. Die meisten Leute hier trinken nämlich ordinären Suresnes, die Flasche für drei Sous.« Sie verzog den Mund.
    »Was ist das für ein Getränk?« erkundigte sich Jean-François.
    »Sie kennen es gar nicht erst, das ist gut«, rief sie und klatschte in die Hände. »Suresnes ist ein Kuhkaff eine knappe Meile westlich von Paris, und man kennt es hier einzig wegen seines miserablen Weines.«
    Beide mußten lachen. Dann sagte Jean-François: »Sie haben mir noch gar nicht erzählt, womit Sie in dieser Stadt Ihren Lebensunterhalt verdienen – oder ist es indiskret, danach zu fragen.«
    Sie lächelte vielsagend und warf die Lippen auf. »Erraten Sie es!«
    »Sie sind – Künstlerin?«
    Sie kicherte, und ihre grünen Augen blitzten.
    »Liege ich richtig? Vielleicht Schauspielerin am Theater?«
    »Wie kommen Sie denn auf diesen Unsinn?«
    »Unsinn?« Er war beleidigt. »Na gut, dann sind Sie eben Näherin.«
    Sie streckte die Hände gegen ihn aus, die Innenseite nach oben. »Schauen Sie meine Finger an, Monsieur: kein Stich, keine Blutblase. Sehen so die Hände einer Näherin aus?«
    »Nein«, gestand er. »Vielleicht Zofe bei einer reichen Frau?«
    »Wieder falsch! Aber ich bin ganz sicher: Sie erraten es im Laufe des Abends noch.« Bei diesen Worten verzog sich ihr breitgeschminkter Mund zu einem Lächeln, das auch ein Unbedarfterer als der Student als frivol empfunden haben würde.
    »Ich will es versuchen«, antwortete Jean-François, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas, hielt inne und prostete ihr zu: »Ich gestatte mir, auf Ihr Wohl zu trinken und auf die glückliche Fügung, die uns hierhergeführt hat!«
    »Artig, artig«, miaute sie und stieß lächelnd mit ihm an.
    Das Essen kam. Sie schlürfte genüßlich die Austern, trank reichlich Champagner dazu und machte sich dann gierig über die Schwarzwurzeln her, die sie in ganzen Stücken durch ihre Lippen sog, wobei sie dem Studenten tief in die Augen blickte, so daß ihm ganz schwindlig wurde. Was ist das nur für ein Frauenzimmer? überlegte er. Und warum gibt sie sich mit mir ab?
    »Wir haben allein zu essen begonnen«, sagte er kauend, »aber was ist mit Ihrer Begleiterin? Wo bleibt sie, und, wenn ich fragen darf, wer ist sie überhaupt?«
    »Keine Sorge, sie kommt nicht mehr«, lautete die gleichmütige Antwort.
    »So? Das ist aber seltsam.«
    »Was ist daran seltsam? Nun sitzen wir ja hier. Oder, Monsieur, hat sie Ihnen besser gefallen als ich?« Sie schob ihre Brust vor. »Weil sie mehr zu bieten hat?«
    Diese Pariserinnen, dachte Jean-François errötend und erinnerte sich des Rates seiner Schwägerin, er möge sich vonihnen fernhalten. Laut beeilte er sich zu versichern: »Nein, keineswegs, nicht die Spur, welch ein absurder Vergleich!«
    Er begann den Wein zu spüren. Alles umher schien unter der Anflutung des Rebensaftes zu erglänzen, und der Abend tauchte sich in märchenhafte Farben. Wie recht doch alle hatten, die das Leben genossen, statt sich in staubtrockene Studierzimmer zurückzuziehen und über Büchern zu hocken! War es nicht weitaus angenehmer, hier zu sitzen, zu speisen wie ein Fürst und

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