Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
so ging es fort, bis die Bänke von ungefähr einem Dutzend Jungen besetzt waren, deren Köpfe alle Farben, Grau ausgenommen, zeigten und die alle Altersstufen von vier bis vierzehn Jahren repräsentierten. Denn die Beine des Jüngsten reichten lange nicht bis auf den Boden, wenn er auf der Bank saß, und der Älteste, ein plumper, gutmütiger, täppischer Junge, war etwa um einen halben Kopf größer als der Schulmeister.
    Vorn in der ersten Bank, dem Ehrenposten der Schule, war der leere Platz des kleinen kranken Schülers, und an dem Rechen, an dem die Mützen und Hüte besitzenden Zöglinge ihre Kopfbedeckungen aufzuhängen pflegten, war der erste Nagel ebenfalls frei. Kein Junge wagte es, das Heiligtum des Platzes oder des Nagels zu verletzen, aber mancher blickte von den leeren Stellen auf den Schulmeister und flüsterte dann hinter der vorgehaltenen Hand mit seinem Nachbarn.
    Dann begannen die leisen Buchstabierübungen, das Auswendiglernen von Aufgaben, die halblauten Scherze, die heimlichen Spiele und das Summen und monotone Durcheinander einer Schule; und inmitten des betäubenden Geschwirrs saß der arme Schulmeister, ein treues Bild der Milde und Schlichtheit, indem er vergeblich versuchte, seine Gedanken den Pflichten des Tages zuzuwenden und seinen kleinen Freund zu vergessen. Aber die Beschwerlichkeit seines Amtes erinnerte ihn nur um so stärker an den fleißigen Schüler, und man konnte deutlich sehen, daß seine Gedanken nicht bei seinen Zöglingen waren.
    Aber niemand bemerkte dies schneller als die faulsten Jungen, die, kühn gemacht, weil sie straflos ausgingen, immer lauter und kecker wurden, unter den Augen des Lehrers ›Gerade oder Ungerade‹ spielten, öffentlich und ohne einen Verweis zu erhalten Äpfel speisten, aus Spaß oder Bosheit einander ungeniert zwickten und ihre Autographen sogar in die Beine des Pultes schnitten. Der verblüffte Schüler von dem Eselsplätzchen, der daneben stand, um seine Aufgabe auswendig herzusagen, suchte nicht mehr an der Zimmerdecke die vergessenen Worte, sondern trat dicht an die Seite des Schulmeisters und warf keck sein Auge auf das aufgeschlagene Buch; der Spaßvogel der kleinen Bande blinzelte und schnitt Fratzen, natürlich gegen den kleinsten Jungen, ohne sein Tun auch nur durch ein vor das Gesicht gehaltenes Buch zu maskieren, und sein beifallspendendes Publikum war außer sich vor Vergnügen. Wenn der Schulmeister hin und wieder aus seinen Träumereien erwachte und auf das, was um ihn vorging, zu achten schien, legte sich der Lärm für einen Moment, und seine Augen trafen nur auf fleißige und demütige Blicke; aber sobald er wieder in sein Sinnen versank, ging es aufs neue los und zehnmal lauter als zuvor.
    Oh! wie einige von diesen Faulpelzen sich hinaussehnten und wie sie nach der offenen Tür und dem Fenster blickten, als hätten sie halb und halb Lust, gewaltsam auszureißen, in die Wälder zu eilen und fortan freie Jungens und Wilde zu sein! Was für rebellische Gedanken an den kühlen Fluß und irgendeinen schattigen Badeplatz unter Weiden, deren Zweige ins Wasser tauchten, mochten wohl jenen stämmigen Jungen quälen und drängen, der mit offenem und so weit als möglich zurückgeschlagenem Hemdkragen dasaß, das erhitzte Gesicht mit einem Abcbuch fächelte und lieber ein Walfisch, ein Frosch, eine Fliege oder überhaupt alles gewesen wäre, nur nicht ein
Knabe, der an einem so heißen, sengenden Tage in der Schule schwitzen mußte! Was für eine Hitze! Fragt jenen Knaben dort, dessen Sitz in der Nähe der Tür ihm Gelegenheit gibt, in den Garten hinauszuschlüpfen und seine Kameraden zum Wahnsinn zu treiben, indem sie zusehen müssen, wie er sein Gesicht in den Brunnentrog taucht und sich dann im Grase umherkugelt; fragt ihn, ob es je einen Tag gab wie diesen, an dem selbst die Bienen sich tief in die Blumenkelche versenkten und darin blieben, als hätten sie den festen Entschluß gefaßt, sich vom Geschäft zurückzuziehen und die Honigfabrikation aufzugeben. Der Tag war ganz dazu geschaffen, träge zu sein, auf dem Rücken im grünen Grase zu liegen und das Firmament anzustarren, bis man von der Helle gezwungen wird, die Augen zu schließen und einzuschlafen. Und das war eine Zeit, um über muffigen Büchern zu brüten? Und noch obendrein in einer düstern Stube, die sogar von der Sonne vernachlässigt wurde! Gräßlich!
    Nell saß mit ihrer Arbeit beschäftigt am Fenster, achtete aber dabei aufmerksam auf alles, was vorging, obgleich

Weitere Kostenlose Bücher