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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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aufsehend. »Laßt sie doch ein für allemal, und ich wollte auch nicht eine einzige Träne mehr um sie vergießen, wenn auch jeder Pence tausend Pfund gewesen wäre!«
    »Nun, nun«, versetzte der alte Mann, eine ungestüme Antwort unterdrückend, die ihm eben über die Lippen gleiten wollte, »sie versteht es nicht besser. – Ich sollte dankbar dafür sein!«
    »Aber hören Sie mich an«, sagte das Kind ernst; »wollen Sie mich anhören?«
    »Ja, ja, ich höre schon«, entgegnete der alte Mann, ohne jedoch zu ihr aufzublicken. »Eine hübsche Stimme. Sie hat immer einen süßen Klang für mich, gerade so wie die ihrer Mutter; armes Kind!«
    »So lassen Sie sich überreden, oh, so lassen Sie sich überreden«, sagte das Kind, »nie mehr an Gewinn oder Verlust zu denken und kein anderes Glück zu versuchen als dasjenige, das wir gemeinschaftlich verfolgen!«
    »Wir verfolgen dieses Ziel gemeinschaftlich«, erwiderte ihr Großvater, der noch immer nicht aufzublicken wagte und scheinbar mit sich selbst zu Rate ging. »Welcher Heilige schützt das Spiel?«
    »Sind wir denn schlimmer daran gewesen«, nahm das Kind wieder auf, »seit Sie nicht mehr an diese Sorgen dachten und wir gemeinschaftlich in die Welt hinauszogen? Ist es uns nicht besser ergangen, waren wir nicht glücklicher, da wir kein Dach über uns zum Schutze hatten, als je in jenem unseligen Hause, in dem Sie an nichts anderes denken konnten?«
    »Sie hat recht«, murmelte der alte Mann in dem früheren Tone. »Es darf mich zwar nicht abwendig machen, aber sie hat recht, zweifellos hat sie recht.«
    »Denken Sie nur daran, wie froh wir waren seit jenem schönen Morgen, als wir dem Hause für immer den Rücken wandten!« sagte Nell. »Vergessen Sie ja nicht, wie wohl uns war, seit wir all jenes Elend abstreiften, was für friedliche Tage und ruhige Nächte wir verlebten, wie heiter uns die Zeit verstrich und wie glücklich wir uns fühlten! Wenn wir müde und hungrig waren, erfrischte uns bald eine Kleinigkeit, und wir schliefen dafür nur um so fester. Denken Sie nur an die vielen schönen Dinge, die wir gesehen, und wie zufrieden wir gelebt haben! Und was war die Ursache dieser glücklichen Veränderung?«
    Er unterbrach sie mit einer Bewegung der Hand und verlangte, sie solle jetzt nicht mehr sprechen, da er eifrig über eine Sache nachdenke. Nach einer Weile küßte er sie auf die Wange, bedeutete ihr aber immer noch zu schweigen, ging dann weiter mit starr vor sich hin gerichtetem Blick und blieb zuweilen stehen, um mit gerunzelter Stirn auf die Erde zu sehen, als gäbe er sich Mühe, seine wirren Gedanken zu sammeln. Einmal erblickte sie Tränen in seinen Augen. Nachdem er es eine Weile so getrieben, nahm er wie sonst ohne eine Spur der früheren Heftigkeit und Aufregung ihre Hand in die seinige, gewann so allmählich auf eine dem Kinde unmerkliche Weise sein gewohntes ruhiges Wesen und ließ sich von ihr führen, wohin sie wollte.
    Als sie sich wieder inmitten der staunenerregenden Figurensammlung zeigten, fanden sie, wie Nell es sich gedacht hatte, daß Madame Jarley noch nicht aufgestanden war. Die gute Frau war allerdings über ihr Ausbleiben unruhig geworden und hatte bis gegen elf auf sie gewartet, sich aber dann zu Bett begeben in der Überzeugung, sie seien wahrscheinlich fern von der Stadt von dem Gewitter überrascht worden, hätten das nächste Obdach aufgesucht und würden vor dem Morgen nicht zurückkehren. Nell ging alsbald mit großer Emsigkeit an die Ausschmückung und Zurüstung des Saales und hatte noch überdies die Freude, ihr Geschäft beendigt und sich selbst angekleidet zu haben, ehe der Liebling der Königlichen Familie zum Frühstück herunterkam.
    »Wir haben«, sagte Madame Jarley nach dem Frühstück, »seitdem wir hier sind, nicht mehr als acht von Miß Monflathers' jungen Damen in der Ausstellung gehabt, und es sind doch sechsundzwanzig in der Pension, wie ich von der Köchin erfuhr, als ich ihr bei Überreichung eines Freibilletts ein paar Fragen vorlegte. Wir müssen sie mit einem Päckchen neuer
Zettel ködern, und du wirst sie hintragen, meine Liebe, und sehen, was für eine Wirkung sie üben.«
    Da dieser Auftrag von außerordentlicher Bedeutsamkeit war, so rückte Madame Jarley eigenhändig Neils Hut zurecht und erklärte sodann, sie sehe jetzt wirklich sehr hübsch aus und mache ihrem Hause alle Ehre; dann entließ sie sie, nachdem sie ihr eine Menge Dinge anempfohlen und die nötigen Weisungen gegeben hatte, welche

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