Der Raritätenladen
»Sprecht rascher!«
»Nein, aber er wird morgen kommen; er wohnt in unserm Wirtshause«, versetzte Herr Short eilig.
»Dann bringt ihn her«, entgegnete der ledige Herr. »Da ist ein Goldstück für jeden von euch. Wenn ich durch eure Vermittlung diese Leute ausfindig machen kann, so ist es nur das Vorspiel zu weiteren zwanzig. Kommt morgen zu mir und behaltet die Sache für euch, obgleich ich kaum nötig habe, euch dies einzuschärfen, da ihr es schon um eurer selbst willen
tun werdet. Nun gebt mir eure Adresse und zieht eures Weges.«
Die Adresse wurde gegeben, die zwei Männer entfernten sich, der Volkshaufe zog mit ihnen ab, und der ledige Herr spazierte in ungewöhnlicher Aufregung zwei sterbenslange Stunden in seinem Zimmer auf und ab, unmittelbar über den verwunderten Häuptern von Herrn Swiveller und Miß Sally Braß.
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[ 7 ] Braß = Erz, Unverschämtheit.
Achtunddreißigstes Kapitel
Kit – denn wir haben jetzt nicht nur hinreichend Zeit, sein ferneres Schicksal zu verfolgen, sondern die notwendige Folge dieser Abenteuer schmiegt sich auch so sehr unserer Bequemlichkeit und Neigung an, daß sie stets die Richtung nehmen muß, die uns zugleich als die wünschenswerteste erscheint –, Kit wurde während der in den letzten fünfzehn Kapiteln geschilderten Ereignisse allmählich vertrauter mit Herrn und Madame Garland, Herrn Abel, dem Pony und Barbara, so daß er sie nachgerade samt und sonders als Freunde und Abel Cottage Finchley als seine eigentliche Heimat betrachten lernte.
Halt! – die Worte sind geschrieben und mögen daher so in die Welt gehen; wenn sie aber zu der Vermutung Anlaß geben sollten, Kit habe bei dem reichbesetzten Tisch und der gemütlichen Wohnung seines neuen Aufenthalts gelernt, geringschätzig auf die dürftige Kost und die armselige Einrichtung seiner früheren Wohnung herabzusehen, so begehen sie eine Ungerechtigkeit an dem guten Jungen und versehen ihr Amt schlecht. Wer gedachte der in der Heimat Zurückgebliebenen, obgleich diese nur eine Mutter und zwei Kinder waren, fleißiger als Kit? Welcher stolze Vater erzählte je in der Fülle seiner Herzensfreude von seinem Wunderkinde solche Heldentaten, als
Kit ohne zu ermüden in den Abendstunden der Jungfer Barbara von dem kleinen Jakob mitzuteilen wußte? Gab es wohl je eine solche Mutter, wie Kits Mutter in der Darstellung ihres Sohnes war? Oder lag je eine solche Behaglichkeit in der Armut, als dies in Kits Familie der Fall war, wenn man überhaupt aus seiner glühenden Schilderung ein richtiges Urteil fällen könnte?
Möge denn hier auch die Bemerkung ein Plätzchen finden: Wenn je häusliche Anhänglichkeit und Liebe etwas Herzerhebendes sind, so ist dies besonders bei den Armen der Fall. Die Bande, die den Reichen und Stolzen an die Heimat ketten, mögen auf Erden geschmiedet sein, aber diejenigen, die den Armen an seinen niedrigen Herd fesseln, sind von echtem Metall und tragen den Stempel des Himmels. Der Sproß eines hohen Hauses mag wohl die ererbten Schlösser und Ländereien als einen Teil seiner selbst betrachten, als Trophäen seiner Geburt und seiner Macht; seine Vorliebe für sie ist die Vorliebe des Stolzes und des Reichtums; aber die Anhänglichkeit des Armen an seine Hütte, die vordem ein Fremder besessen und die vielleicht morgen wieder einem Fremden anheimfällt, hat eine weit ehrwürdigere Wurzel und holt ihre Nahrung aus einem reinen Boden. Seine Penaten sind von Fleisch und Blut, mit keiner Beimischung von Silber, Gold oder kostbaren Steinen; er nennt nichts sein eigen als seine Neigungen, und wenn diese ihm seine kahlen Hausfluren und Wände lieb und wert machen, trotz der Lumpen, der Mühe des Tages und des spärlichen Mahles, so hat dieser Mann das Heimatgefühl von Gott zum Geschenk erhalten, und seine armselige Hütte wird ihm zu einem Prachtpalast!
Oh, wenn doch diejenigen, die das Geschick der Völker lenken, daran denken wollten, wenn sie doch im Gedächtnis behielten, wie schwer es den ganz Armen wird, in ihren Herzen
jene Liebe zur Heimat zu bewahren, der alle häuslichen Tugenden entstammen, wenn sie in dichten, schmutzigen Massen beisammenleben, in denen geselliger Anstand verlorengeht oder vielmehr nie gefunden wird; wenn sie nur einmal den breiten Straßen und großen Häusern den Rücken kehren und sich bemühen wollten, die elenden Hütten und Gassen, in denen nur die Armut wandeln mag, menschenwürdiger zu gestalten! Dann würde manches niedrige Dach gerader gen Himmel zeigen
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